Der König und sein Richter by Schultz Uwe

Der König und sein Richter by Schultz Uwe

Autor:Schultz, Uwe [Schultz, Uwe]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783406629259
Herausgeber: C.H.Beck
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


10. Die Flucht nach Montmédy

Die Macht, vor der Ludwig XVI und La Fayette gleichermaßen zurückgeschreckt waren, war das Volk in der Wut und Wucht seines Aufstandes, und sein unermüdlicher Agitator war Robespierre, der sich zu dessen Mandatsträger erklärt hatte – und zwar an allen politischen Fronten von der Nationalversammlung über den Jakobiner-Club bis zum Magistrat im Rathaus von Paris. Ohne sich je der Gefahr auszusetzen, an der Spitze einer Volksbewegung zu marschieren oder mit der Waffe in der Hand kämpfen zu müssen oder auch nur zu können, war seine Waffe das Wort – meist der schnelle rhetorische Übergang von der Verteidigung zum Angriff. Während Ludwig XVI, La Fayette und auch Mirabeau nur das eine Ziel hatten, die Dynamik der Revolution zu verlangsamen und endlich zum Stillstand einer neu geordneten Staatsform zu bringen, wofür die gerade entstehende Konstitution die politischen Garantien bieten sollte – nicht zufällig berief sich Ludwig XVI auf sie bei der willkürlich-ungesetzlichen Verweigerung seiner Abfahrt nach Saint-Cloud –, war es das unermüdliche Bestreben Robespierres, diesen ungebändigten Aufruhr in Bewegung zu halten und voranzutreiben. Für ihn war der unzufriedene Volkswille in seinem scheinbar unaufhaltsamen Veränderungsdrang die höchste Instanz, deren Rechtsanspruch sich immer erneut aus seiner eigenen Dynamik legitimierte. Bis zu welcher Staatsform sich dieser Volkswille letztlich fortbewegen würde und sollte, diese Frage konnte und wollte Robespierre am Ende des Jahres 1789 nicht beantworten – die Richtung seiner Politik war sichtbar, noch nicht aber deren Ziel.

Am 1. Dezember kam es im Hafen von Toulon zum Aufstand, als zwei Arbeiter des Arsenals Aufnahme in die Nationalgarde verlangten, welche Forderung der Hafenkommandant Graf Albert de Riom mit deren sofortiger Entlassung beantwortete – er wusste um die dann sofort einsetzende Agitation zum Aufruhr in seinem Befehlsbereich. Die Antwort war ein allgemeiner Streik, und das Gerücht, der Kommandant werde auf die Menge schießen lassen, setzte diese sogleich in Richtung auf die Kommandantur in Bewegung, galt es doch, erneut die «Nationsbeleidigung» («lèse-nation») zu rächen, deren Riom für schuldig erklärt wurde. Schon waren die Tore des Gebäudes erstürmt, als gerade noch rechtzeitig der Konsul der Nationalgarde mit zuverlässigen Soldaten eintraf und die Selbstjustiz des Volkes verhinderte, aber den Kommandanten und seine Offiziere als «Gefangene» ins Rathaus führen musste, vor dem die aufgebrachte Menge nur mit der Versicherung beruhigt werden konnte, dass ihr deren exemplarische Bestrafung versprochen wurde.

Am 14. Dezember kam dieser Vorfall in der Nationalversammlung zur Sprache, hatte sie doch immer aufs Neue auch Probleme der Exekutive zu lösen, die formal in die Kompetenz des Königs gehörten, der aber bereits auch dieser Staatsgewalt verlustig gegangen war. Ein gewisser Malouet, der einst Intendant der Marine in Toulon gewesen war, verteidigte das Handeln seines Nachfolgers und verlangte, «dass man die dortigen Unruhen energisch unterdrücke und dem Grafen de Riom eine bedeutende Entschädigung zugestanden werde».[1] Dagegen forderte Robespierre, der sich inzwischen über den auch in Toulon etablierten Jakobiner-Club genau informiert hatte, die harte Verurteilung des Marine-Kommandanten: «Da wir überzeugt sind, dass Monsieur Albert de Riom Prinzipien zur Anwendung gebracht hat, die gegen die gegenwärtige Revolution sind … und da



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