Der Kallenboel - ein sauerländisches Abenteuer im Dreißigjährigen Krieg by Gandras Achim

Der Kallenboel - ein sauerländisches Abenteuer im Dreißigjährigen Krieg by Gandras Achim

Autor:Gandras, Achim [Gandras, Achim]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-04-25T16:00:00+00:00


Die festen Mauern von Soest und ein Blick ins Paradies

Picaro, der Kürassier aus Dalmatien, hatte endlich die alte, halbverfallene Kirche mitten im Wald auf dem Borberg gefunden. Tief unten im Tal konnte er das Kirchdörflein Bigge im Dunst des späten Nachmittags ausmachen. Casparus lag bäuchlings über seinem Pferd und bewegte sich nicht mehr.

Der Soldat band die Tiere an und stemmte sich den leblosen Körper des Pfarrers über die Schulter. Gebeugt lief er mit dieser Last über den alten Kirchhof direkt zu einer kleinen Klause. Vor der Einsiedlerhütte knirschte der Kies unter seinen Stiefeln. Im Gehäuse des wettergegerbten Dachreiters, der steil wie ein Uhu auf dem Giebel hockte, hing das bronzene Totenglöckchen blassgrün im Sonnenlicht.

Er schlug mit der behandschuhten Faust an die Tür, aber nichts regte sich im Inneren. Zwei-, dreimal wiederholte er die Prozedur, dann rief er laut über den Platz, dass ein armer Sünder schnellstens die letzte Ölung benötige, wenn es nicht schon zu spät war.

Aber niemand erschien. Der verlassene Ort mit dem kleinen Friedhof hatte kein Leben mehr in sich. Picaro fluchte, ließ den leblosen Körper seitlich zu Boden rutschen und wischte sich mit dem Rockzipfel des Pfarrers dessen Blut vom Wams.

»Tut mir leid, mein Herr Gesandter. Das ist der Krieg. Ihr habt es hinter Euch, aber ich hab noch ein Stück Weges zu gehen.«

Er band die Pferde wieder los und freute sich über den guten Fang, den er soeben geerbt hatte, denn nichts ist schneller als ein Reiter mit zwei guten Pferden.

Das eine galoppierte mit, während das andere trug, und war das eine müde, so wechselte der Kürassier auf das andere. Picaro setzte alles auf eine Karte, so, wie er es schon immer gemacht hat. Er durchbrach die Briloner Landwehr und ritt einige verdutzte Hessen über den Haufen, auf den Hängen zwischen Hilbringhausen und Brilon, von wo aus man schon den stattlichen Turm der Propsteikirche sehen konnte, sprang er ins Feld, zog eine der guten Pistolen des Drosts aus Casparus’ Sattel, und einem schwedische Wachtposten rutschte der Spieß aus der Hand, noch bevor er wortlos zusammensackte.

Der Soldat donnerte über die Felder und ließ Brilon hinter sich, er erreichte den Höhenzug und jagte durch den Wald, mitten durch das alte Römerlager von Kneblinghausen, wo er das Pferd wechselte und im vollen Galopp das Wappen des Drosts von Fürstenberg vom Sattel löste, um es achtlos ins Gebüsch zu werfen.

Bald befand er sich auf der Kaiserstraße, dem alten Heerweg, der seit Urzeiten den Westen mit dem Osten des Reiches verband, und der Tau perlte fein auf seinen eisernen Schultern.

In Rüthen hatte die Wehr bereits das große Hachtor verrammelt, als er in der späten Dämmerung die Mauern der Stadt passierte, und auch die einbrechende Dunkelheit konnte den einsamen Reiter in seiner Eile nicht bremsen.

Bald heulten in der Nacht die Wölfe auf dem Haarstrang. Er spornte die Pferde, stieg aus dem Sattel, und sein Blick irrlichterte hinüber zum scharfen Schatten der spitzen Nadel des Kirchturms von Kallenhardt, der wie drohend in den dunklen Himmel stach.

Belecke verschwand im Nebel des Möhnetals, und gegen Mitternacht lag Allagen wie verwunschen, eben so, als halte die Finsternis den kalten Atem an.



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