Der Kaiser sagt Ja by Luise F. Pusch

Der Kaiser sagt Ja by Luise F. Pusch

Autor:Luise F. Pusch
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Wallstein Verlag


Großmama packt aus, Großpapa kann einpacken

Während der letzten beiden Wochen habe ich mir bei der Hausarbeit und vor dem Schlafengehen zwei schöne Bücher vorlesen lassen: Erst Zeitlupe (Slow Man) von J. M. Coetzee (Sprecher: Christian Brückner), danach Großmama packt aus von Irene Dische, gelesen von Hannelore Hoger.

Diese beiden Bücher aus dem Jahre 2005 waren gerade in der Stadtbibliothek vorrätig – daß ich sie fast gleichzeitig kennenlernte, ist also reiner Zufall. Um so erstaunlicher, wie viele Parallelen die Bücher aufweisen. Beide AutorInnen singen – wenn auch in modern unterkühltem Ton – unbeirrt das Hohelied der Frau: Frauen schmeißen den Laden, behalten die Nerven, ohne sie geht alles schief. Kein Wunder, daß die Bücher mir gefielen. So viel entschlossenes Frauenlob sind wir bei »großer Literatur« gar nicht mehr gewöhnt.

Von Großmama packt aus hatte ich schon viel Gutes gehört, Zeitlupe hingegen war mir gänzlich unbekannt. Ich lieh mir das Hörbuch aus, weil mich Coetzees Schande (Disgrace) so tief beeindruckt hatte.

In Zeitlupe nun begegnete ich demselben mürrischen, desillusionierten Ich-Erzähler wie in Schande; er heißt zwar anders, aber eigentlich ist es derselbe Typ: Ein lakonischer älterer Mann von schmerzhafter Ehrlichkeit und Intensität. Humor ist nicht seine Stärke. Er hat ein Problem mit Frauen – er braucht sie, aber er ist auch schwierig und bindungsscheu. Deshalb kauft er sich manchmal Sex oder läßt sich von Frauen sexuell bedienen, an denen ihm eigentlich nichts liegt. Er findet das nicht gut, aber er läßt es sich durchgehen.

Ich mag diesen selbstkritischen, illusionslosen, »zersetzenden« Coetzee-Sound, besonders in Zeiten betäubenden Festtagsrummels wie jetzt um Ostern. Da es in beiden Büchern, Schande wie Zeitlupe, exakt derselbe Sound ist, nehme ich an, daß wir hier den Autor selbst vernehmen.

Auch Großmama erzählt in der Ich-Form, auch sie hat einen bald mürrischen, bald barschen Ton, ist lakonisch und unsentimental (diesen Ton trifft Hannelore Hoger perfekt). Das Grauen, das beiden ProtagonIstinnen zustößt, wird ohne Selbstmitleid abgehandelt. Coetzees Held hat durch einen Unfall ein Bein verloren; Disches Heldin mußte mit ihrer Familie vor den Nazis fliehen und sich in New York mühevoll eine neue Existenz aufbauen. Auch in Coetzees Buch spielt eine Emigrantin eine zentrale Rolle: Die Kroatin Marijana Jokic, Pflegerin des Helden, deren Familie nach der Auflösung Jugoslawiens ihr Glück in Australien sucht.

Beide AutorInnen machen Ausflüge ins Magische; Coetzee gibt seinem Helden ein »übersinnliches« Alter ego namens Elizabeth Costello bei; Disches Groß mama bringt noch aus dem Grab heraus ihre Familiengeschichte auf den letzten Stand.

Soweit die Parallelen, nun einige Unterschiede: Coetzees Held Paul Rayment ist Atheist und voller Selbstkritik und Selbstzweifel, Großmama Elisabeth Rother dagegen ist gläubige Katholikin und herausfordernd selbstgerecht; sie sieht lieber andere kritisch als sich selbst, was viele komische Effekte ergibt. Während Rayment sein Leid stoisch erträgt und die Zähne zusammenbeißt, ist Großmama auf strategische Weise hypochondrisch und kündigt jedes Jahr aufs neue an, dies Jahr werde ihr letztes sein. Sie wird aber über neunzig und plaudert wie gesagt auch noch aus dem Grabe munter weiter. Rayment ist ein dünnlippiger Miesepeter; Großmama dagegen ist voller Saft und Kraft und sinnlichen Genüssen zugetan, die sexuellen ausgenommen.



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