Der irrende Richter by Max Kretzer

Der irrende Richter by Max Kretzer

Autor:Max Kretzer [Kretzer, Max]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-26T00:00:00+00:00


X.

Schon im Oktober wurde Sonters Ehe geschieden, nachdem Käthe erklärt hatte, ihren Mann böswillig verlassen zu haben, nie mehr zu ihm zurückkehren zu wollen, und dass sie Beziehungen zu einem anderen Manne unterhalte.

„Da haben wir’s ja“, sagte die Hotelbesitzerin, die diese Gelegenheit wahrgenommen hatte, wieder einen Abstecher nach Berlin zu machen. „Die war doch an dem Abend gar nicht im Theater, sondern schon bei ihrem Liebsten. Art lässt eben nicht von Art.“

Käthe war für sie nur noch eine „Person“, die es schon immer hinter den Ohren gehabt habe und die man gründlich aus dem Gedächtnis bekommen müsse, um nicht noch nachträglich Übelkeit zu empfinden.

Der Landgerichtsrat schwieg sich aus, weil die Verblüffung in ihm über dieses bestimmte Geständnis der für so einfältig Gehaltenen immer noch nachwirkte. Der im Grunde allein Getäuschte und Betrogene war nun er, wenn ihm das alles auch sehr zustatten kam. Bedachte er alles, so hatte er wieder einmal den Beweis dafür bekommen, dass übertriebener Anstand immer nur dazu diente, sich in das eigene Fleisch zu schneiden.

Ja, das Weib, das Weib! Es war der Anfang und das Ende aller Leiden, besonders wenn es tief unter dem Manne stand.

Zum Glück fand die Verhandlung vor einem anderen Landgericht statt, so dass er wenigstens in seinem engeren Wirkungskreise von dem Vorgange verschont blieb.

Frau Golands Scheidung war schon nach dem letzten Termine rechtskräftig geworden, weil ihr gewesener Ehegatte auf die Berufung verzichtet hatte. Er war mit der Widerklage abgewiesen worden, und da ihm, an Freiheit gewöhnt, nur darum zu tun war, gewisse Vermögensvorteile zu erlangen, so hatte Cilly ihm freiwillig die nötigen Zugeständnisse gemacht, um Ruhe und Frieden zu haben.

Somit war alles in schönster Ordnung.

Nach einem Jahre war der neue Bund geschlossen.

Sonter brachte seiner zweiten Frau als ausserordentliches Hochzeitsgeschenk den „Landgerichtsdirektor“ mit, der eigentlich schon längst fällig gewesen war. Er hatte nun wirklich eine Kammer bekommen, was einige böswitzige und auch neidische Kollegen eine Art Rehabilitation nannten in Hinsicht auf seine erste „Verplemperung“.

Nun konnte man den guten Mann doch mit „Frau Gemahlin“ zu sich laden, und auch die Frau Landgerichtspräsident brauchte nicht mehr zu erröten, falls die Rede auf den ihrem Gatten unterstellten jüngsten Direktor und dessen Lebensgefährtin kam, und die lieben Frauen aus der engeren Kollegenschaft und dem sonstigen intimeren Umgang konnten nun ruhig in Gegenwart Sonters die übliche Dienstbotenfrage weiter behandeln, ohne wie ehedem bei seinem Eintritt zartfühlend davon abzubrechen.

Dagegen die „Zweite“! Das war doch gleich ein Sprung aus der Tiefe bis zum Gipfel aller Wünsche, den man diesem von aller Vernunft verlassenen Manne kaum zugetraut hätte.

Selbst die Neiderinnen, die, aufgestachelt durch den Mangel an eigenen Reizen und an Vermögen, hinten herum zeterten, mussten sich offen vor der eleganten und blendenden Erscheinung Cillys neigen und ihr das „Vornehme“ zugestehen, das entschieden angeboren sei.

Die Sonters begannen in ihrer grossen, schönen und hochmodern ausgestatteten Wohnung draussen am Kurfürstendamm, wo man schon zu Halensee gehörte, ein Haus zu führen, was ganz den gesellschaftlichen Neigungen Cillys entsprach und wozu sie von ihrer nervösen Schwester Julia geradezu ermuntert wurde.

Eine Hochzeitsreise hatte man nicht gemacht, weil man schon während der ganzen Gerichtsferien in demselben Nordseebade zusammen geweilt hatte.



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