Der Herr der Nacht by Paul Rosenhayn

Der Herr der Nacht by Paul Rosenhayn

Autor:Paul Rosenhayn [Rosenhayn, Paul]
Die sprache: tah
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2016-06-05T00:00:00+00:00


* * *

In fiebernder Spannung folgte das Haus den Vorgängen auf der Bühne. Geblendet und verwirrt durch den szenischen Pomp, wurden die Nerven des Publikums aufgepeitscht bis zu jener unerhörten Sensation, die jeden Abend die Menschen in ihren Bann schlug.

Beklemmende Schwere lag in dem dunklen Raum, jener aus Wollust und Grausamkeit sich steigernde Kitzel, mit dem die Menschen das Gefährliche einer Situation auskosten: die Gefahr, in die andere sich für sie begeben.

Diese Szene der Revue, in der die vierzig Frauen Sardanapals den Scheiterhaufen bestiegen, in der noch einmal die Pracht der Ausstattung, die Schönheit der Frauenkörper und die verwirrende Technik der Bühnentricks sich zu einem berauschenden Finale entfalteten, versetzte das Publikum in einen Taumel.

Die Musik setzte zu einem Kreszendo ein. Brennende Fackeln fielen in den Scheiterhaufen. Im Pianissimo erhoben sich die Stimmen der Frauen: die Totenklage. Die Flammen breiteten sich aus und schienen die Körper der Frauen zu umhüllen.

Plötzlich sprangen einige Mädchen auf. Sie reckten die Arme in die Luft. Mit gellenden Schreien liefen sie in den Hintergrund.

Das Publikum ließ atemlos die beklemmende Realistik dieser Szene auf sich wirken.

Wieder sprangen einige Mädchen auf. Eine Choristin — ihr Haar brannte lichterloh — stürzte an die Rampe. Ein gellender Schrei übertönte die Musik: „Ich brenne!“

War das noch Spiel — war das schaurige Wirklichkeit? Unruhe erhob sich im Publikum. Man sah im Halbdunkel des Raumes das Wogen einer unbestimmten Angst. Ein paar Leute springen auf.

„Feuer!“ schreit jemand. Arbeiter stürzen auf die Bühne. Die Musik setzt aus. Das Haus ist erfüllt von furchtbarem Schmerzensgeschrei. Die Mädchen irren verzweifelt zu den Kulissen — sie reißen sich die brennenden Kleider vom Leibe. „Feuer — Feuer!“ heult es durch den Raum.

Eine hohe Stichflamme schießt plötzlich an der Portiere der Proszeniumsloge empor.

Die Menschen ballen sich an den Ausgängen.

Der Inspizient in der ersten Kulisse schreit dem Kapellmeister durch das Bühnentelephon zu: „Panik! Weiterspielen!“



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