Der geschenkte Gaul by Hildegard Knef

Der geschenkte Gaul by Hildegard Knef

Autor:Hildegard Knef [Knef, Hildegard]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: edel entertainment
veröffentlicht: 2010-03-14T23:00:00+00:00


»Ich höre große Dinge von dir«, sagte der Produzent. »Du sollst eine fabelhafte Schauspielerin sein.« Er zermalmte eine Zigarre und sah an mir vorbei, als adressiere er eine andere. »Ich drehe einen Film, ›Rote Donau‹ heißt er, grandioser Titel.« Er ließ eine lange Pause, in der er von Einfällen übermannt zu sein schien. »Ein Film gegen den Kommunismus«, sagte er endlich und sah mich zum erstenmal an. »Weißt du, was Kommunismus heißt?« fragte er, ohne eine Antwort zu erwarten, und stand auf. »Spielt in Wien, viergeteilte Stadt, verstehst du?« Er rieb seinen Rücken, als hätte er gerade eine schwere Last abgesetzt. Zwei Männer kamen nach kurzem Anklopfen. »Komm rein, komm rein«, rief er, als sie sich schon hinter dem Schreibtisch aufgestellt hatten, und, mit Verkehrsschutzmanngeste auf mich weisend: »Hier ist sie.« Die beiden nickten. »Erzähl uns was«, sagte der eine und lehnte sich an die Wand. Sie standen wie drei gelangweilte Könige, die einen neuen Hofnarren zu engagieren gedachten. Ich redete und redete, als ginge es um Kopf und Kragen, als könne ein zustimmendes Lächeln das Todesurteil aufheben, den Freispruch erwirken. Ich warb und kämpfte, stand neben mir und sah mir zu, wie ich mich verriet. Meine Angst machte sie jovial und mißtrauisch. »Nach dem Lunch machen wir einen stummen Test«, sagte der eine zum anderen und rieb seinen Mund hin und her.

Lunch war in der Kantine. Im demokratischen Amerika saßen die Stars in einem anderen Raum als die Produzenten, die Kameramänner nicht da, wo die Regisseure saßen, und die Arbeiter waren nirgendwo zu sehen. Jeder hatte den seinem Status entsprechenden mehr oder weniger ungemütlichen Raum. Die Speisekarte wies großsprecherische Menüs auf, die die Namen irgendwelcher Stars trugen und die sich allesamt als Weißkäse auf Salat oder Spiegeleier auf triefendnasser Semmel herausstellten. Striktes Alkoholverbot zwang sie zur Einnahme von Milch oder Kaffee. Erst abends stürzten sie sich auf Martinis und Whiskys wie Verdurstende auf Oasen.

»Elizabeth Taylor«, raunte es, als eine schwarzhaarige Fee durch die Eingangstür trat und mit Veilcheniris über die Köpfe blickte. »Erste Klasse«, sagte einer neben mir und hielt den Daumen hoch, als wollte er testen, woher der Wind kam; »Jack der Maskenbildner sagt, sie hat einen neuen Freund.« Die Serviererin kam an den Tisch. »Siehst great aus, honey«, rief er und winkte jemandem am anderen Ende des Raumes zu. »Fühl mich nicht great«, murmelte die Serviererin, »mußte meine Mutter heute nacht in die Klinik bringen. Kannst du mir sagen, wovon ich das bezahlen soll?« Er klopfte ihre Schulter: »You’re a great girl, great!« Dann schüttelte er den Kopf, als könne er die menschliche Größe, die ihn umgab, nicht erfassen, strahlte tapfer, trug das Strahlen zum nächsten und übernächsten Tisch. Die trügerische Vorstadtherzlichkeit, Nervosität und Eitelkeit, Selbstsicherheit und Versagensangst summte und brummte wie ein Insektenschwarm, rumorte vom Atelier zur Kantine und zurück. Sie gaben sich heiter, weil sie heitere Rollen spielten und »heiter« ihr Image war, oder damenhaft gediegen, weil »damenhaft« Vertragsbedingung, oder burschikos, weil sie der Sparte »gefallenes Mädchen« zugeteilt, das, soweit Hollywoods Selbstkontrolle die Strichbetätigung zuließ, vor Ende des Films ein niederträchtiges Schicksal ereilen mußte.



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