Der gelbe Diwan by Walter Grond

Der gelbe Diwan by Walter Grond

Autor:Walter Grond [Grond, Walter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon Verlag
veröffentlicht: 2015-05-05T16:00:00+00:00


31

Am nächsten Tag, zu mittäglicher Stunde, war der Lärm betrunkener Ekstase aus Dinahs Bar zu hören, ein Klatschen in die Hände, hysterisches Lachen, Gepolter von Stühlen, Johans Anfeuerungen, als Anatole eine Rede auf die Revolution in den Raum zu schmettern begann, gerade als Clement die Tür aufstieß, mit schlechtem Gewissen, geduckt, sich auf unsicheren Füßen heranwagte an die kleine Gesellschaft, die irgendeinen Tag als den besonderen feierte. Seit der vorhergehenden Nacht hatte Johan noch kein Auge zugemacht und zitierte nun seinen jungen Freund mit herausforderndem Blick an den Ecktisch hinter der Garderobe, rief ihm höhnisch entgegen, Paulchen wäre seit einer Ewigkeit nicht mehr zu sehen gewesen. Zur Strafe musste Clement ein Glas Wein auf nüchternen Magen trinken und erfuhr dann den Grund der endlosen Nacht, die junge Julie hatte sich zu Johans Ärgernis als prüde erwiesen, sich dem Vergnügen mit dem Schriftsteller entzogen, war auf ihrem Pölsterchen alleine weggeschlummert, genauso wie unser junge Freund, der ja auch sein halbes Leben verschlafe.

Eine Woche nach jenen Ereignissen reiste Clement aus Saint-Marc-sur-Mer ab, und wenige Tage später kehrte auch Rafaela in die Stadt zurück, um Johan, wie sie beteuerte, Raum und Zeit für seinen Roman zu geben.

Alles schien seinen gewohnten Lauf zu nehmen. Johan ahnte nichts, als Rafaela im August Clements Studentenbude aufsuchte und die beiden, da sich ihre Lust abermals entfachte, mit rebellischem Eifer beschlossen, in ihr eigenes Paradies zu reisen, nach Noirmoutier, etwa fünfzig Kilometer südlich von Saint-Marc-sur-Mer, und diese Insel zu ihrem Traumort erklärten und sich selbst zu Fliehenden, in Verrat und Leidenschaft miteinander verbunden.

Nach jedem Wechsel am Steuer, dem Atlantik näher und näher, lagen sie einander glückstrunken in den Armen. Die schöne Schwester war nun dem Studenten ganz Ohr, und das fernöstliche Amulett, das am Rückspiegel ihres Autos baumelte, beschützte nun ihn. Dominant wie seinem väterlichen Freund gegenüber unterwürfig, legte Clement ihr seine Pläne dar, eine glanzvolle Karriere, Reisen in ferne Länder, Enträtselung geheimnisvoller Kulturen, gefragte Reportagen.

Nur er selbst war jetzt sein Thema, dieses unsagbar weiche Geschöpf neben ihm sollte ihn ganz in sich aufnehmen, mit ihm leiden, wenn er von Verletzungen sprach, ihn bewundern, wenn er sein Talent vor ihr ausbreitete, sich mit ihm freuen, wenn er optimistisch in die Zukunft blickte. Sollte seine Ansichten von Journalismus mit ihm teilen, von populärer Wissenschaft, der vielleicht das Genie fehlte, die aber auf solidem Fundament ein Bild von Menschen und Kulturen malte.

Und wenn auch Rafaela nicht antwortete, stand für ihn doch fest, dass sie ebenso aus dem Gefängnis der Revolten ausbrechen wollte. Es musste einen anderen Weg geben, um das Leben zu spüren, denn die sehnsuchtsvolle Leere der Romantiker, die uns antreibt zum Spielen, zu Schlachten, zu Reisen, zu all den zügellosen Unternehmungen, deren Reiz doch nur in der Erregung liegt, führe ins Nichts.

Und während Clement derart seine Ansichten proklamierte, über das Risiko im Denken, Fühlen und Leben, das es zu kalkulieren gelte, sah er sich in der Zukunft heimkehren von abenteuerlichen Reisen, auf denen er die letzten unentdeckten Flecken auf unserer Erde besucht haben würde, und sah sich mit Rafaelas Kindern durch den Garten tollen.



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