Der fremde Gast by Charlotte Link

Der fremde Gast by Charlotte Link

Autor:Charlotte Link
Die sprache: de
Format: mobi
Herausgeber: PeP eBook
veröffentlicht: 2011-06-15T22:00:00+00:00


Mittwoch, 28. Juli

1

Als sie aufwachte, war sie im ersten Moment überzeugt, höchstens ein paar Augenblicke geschlafen zu haben. War sie nicht gerade erst aus dem Bad zurückgekommen? Aber dann knipste sie das Licht an und schaute auf ihre Uhr. Es war Viertel vor vier in der Nacht.

Sie wusste nicht, was sie geweckt hatte, aber was auch immer es gewesen war, es hatte sie mit einem Schlag hellwach sein lassen. Das war ungewöhnlich, normalerweise brauchte sie ziemlich lange, um klar denken zu können und zu wissen, wer sie war und wo sie war. Diesmal jedoch war sie geradezu überwach und aufmerksam.

Ihre Unruhe vom Abend hatte sich verschärft.

Sie schwang die Beine aus dem Bett, trat an die geöffnete Luke und lehnte sich hinaus. Wie so oft in den letzten Nächten hier unten am Meer überwältigten sie auch diesmal wieder Klarheit und Nähe des Sternenhimmels. Der Wind hatte ein wenig an Stärke gewonnen, die Bäume rauschten lauter.

Das hat mich wahrscheinlich geweckt, dachte sie, der Wind in den Bäumen.

Vielleicht war das auch der Grund für ihre Unruhe. Der ständige Wind hier am Meer. Aus ihrer Münchener Stadtwohnung kannte sie das nicht.

Sie ging ins Bett zurück, schaltete das Licht aus, legte sich in die Kissen zurück. Schloss die Augen und versuchte wieder einzuschlafen. Sie vernahm ihren eigenen harten, schnellen Herzschlag. Sie öffnete die Augen wieder. Es war unmöglich. Sie war so wach, dass an Schlaf überhaupt nicht zu denken war.

Sie verließ wieder ihr Bett und überlegte, dass sie vielleicht ein Glas Wasser trinken sollte. Oder unten im Wohnzimmer ein wenig fernsehen. Das würde sie beruhigen – wenn sie auch keine Ahnung hatte, weshalb sie überhaupt so aufgeregt war –, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass Rebecca etwas dagegen haben würde.

Sie zog einen Morgenmantel über, den ihr Rebecca geliehen hatte, und schlüpfte in orangefarbene Badeschuhe aus Plastik. Sie hatte sie noch kurz vor der Abreise gekauft, weil sie sich in die Duschen öffentlicher Campingplätze niemals barfuß gewagt hätte. Überhaupt hasste sie Camping.

Aber ich hatte ja immer Angst, dass Marius ausrastet, wenn ich einen seiner Vorschläge nicht toll finde.

Sie öffnete ihre Tür, lauschte ins Haus. Sie konnte kein Geräusch vernehmen. Es hätte sein können, dass Rebecca selbst schlaflos herumtappte, und dass sie, Inga, davon geweckt worden war, aber es herrschte völlige Stille, und nirgendwo war ein Lichtschein zu entdecken.

Leise huschte sie ihre Leiter hinunter und dann die Treppe, die ins Erdgeschoss des Hauses führte. In der Küche nahm sie ein Glas aus dem Schrank, ließ Wasser aus der Leitung hineinlaufen, trank in kleinen Schlucken. Sie fragte sich, weshalb sich ihr Herzschlag nicht beruhigen mochte. Sie versuchte sich zu erinnern, was ihr ihre Großmutter, die ständig unter Schlaflosigkeit gelitten hatte, über alle möglichen Teesorten erzählt hatte, mit denen man dem Übel beikommen konnte, aber ihr fiel nichts ein, ihr Gedächtnis war wie leer gefegt. Überdies hätte Rebecca den betreffenden Tee wahrscheinlich gar nicht im Haus gehabt.

Ich hätte auch gar nicht die Ruhe, jetzt einen Beruhigungstee zu trinken, dachte sie und lachte gleich darauf nervös über diesen paradoxen Gedanken.



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