Der erste Stein by Charamsa Krzysztof

Der erste Stein by Charamsa Krzysztof

Autor:Charamsa, Krzysztof [Charamsa, Krzysztof]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C. Bertelsmann Verlag
veröffentlicht: 2017-04-01T07:23:14+00:00


Scheinheilige Gesellschaft

Ein Gutteil meines Lebens habe ich inmitten von Pharisäern zugebracht. Dieses Ambiente hat mich bis in die Tiefe meiner Seele geprägt. Ich war von Leuten umgeben, die personifizierte Lügen waren. Für sich genommen sind diese Menschen oft harmlos, ins System eingegliedert, verwandeln sie sich aber zu dessen blindwütig auf den Gegner einschlagenden Kriegern.

Im Laufe der Zeit begann der katholische Klerus, wie bereits mehrfach gesagt, für mich immer mehr einer Armee zu ähneln, in der es prozentual mehr Homosexuelle gibt als in der Gesellschaft im Allgemeinen, innerhalb derer diese aber zugleich wütender verfolgt werden. Drewermann liegt mit seiner Analyse richtig: Der Klerus ist eine in sich geschlossene Gesellschaft, die sich gegen sich selbst wendet. Er legt eine merkwürdige schizophrene Einstellung an den Tag – er ist krank.

Der Film Burning Blue (2013) vermittelt ein anschauliches und zutreffendes Bild von der US-Armee in der Zeit von 1993 bis 2010, einer Zeit, in der man in Bezug auf die sexuelle Orientierung der Soldaten die sogenannte Don’t ask, don’t tell-Praxis befolgte: Die Vorgesetzten sollten nicht nach der sexuellen Orientierung der Soldaten fragen, diese sollten aber auch nicht von sich aus darüber reden.

Als der Film in die Kinos kam, hatte der damalige Präsident Obama die Army vom Pharisäertum befreit und der Verfolgung von Schwulen und Lesben ein Ende gesetzt. In der Kirche jedoch ging die Hexenjagd weiter, und zwar aus den gleichen Beweggründen, wie sie dem Autor und Regisseur D. M. W. Green zufolge in Kreisen des Militärs veranstaltet worden war.

Die Kirche stellt Homosexualität als etwas derartig Schändliches dar, dass es für einen gläubigen Schwulen undenkbar ist, diese seine »krankhafte« Veranlagung einzugestehen. Was könnte also einen katholischen Homosexuellen zu einem Coming-out bewegen? Warum sollte er selbstbewusst etwas von sich preisgeben, das als schändlich und verwerflich gilt? Auch aus diesem Grund scheint die Kirche gegen die Antidiskriminierungsgesetze zu sein, denn solche Gesetze könnten, so drückt es ein Dokument der Glaubenskongregation aus, »eine Person mit homosexuellen Neigungen dazu ermutigen, ihre Veranlagung öffentlich bekannt zu geben oder sich sogar einen Partner zu suchen«.44 Nur den Heterosexuellen ist es erlaubt, ihrer Sexualität frei Ausdruck zu verleihen.

Gewiss, es scheint auf der Hand zu liegen: Wenn man gay ist und es nicht herausposaunt, dann läuft man nicht so schnell Gefahr, diskriminiert zu werden. Die homophobe Diskriminierung büßt ihre Grundlage ein. Das von der Kongregation veröffentlichte Dokument enthält folgenden Passus: »Für gewöhnlich macht die Mehrheit der Personen mit homosexueller Neigung, die versucht, ein keusches Leben zu führen, ihre sexuelle Veranlagung nicht öffentlich bekannt. Infolge davon entsteht das Problem ihrer Diskriminierung in Bezug auf Beruf, Wohnung etc. normalerweise gar nicht.«45 Doch was sind das für Diskriminierungen »in Bezug auf Beruf, Wohnung etc.«, mit denen ein Schwuler es zu tun bekommt, der seine eigene Persönlichkeit nicht leugnen oder aufgeben will? Die Kirche hat die Antwort parat: Wenn jemand nicht stark oder gefestigt genug ist, um seine Homosexualität bis zu seinem Tod zu verbergen, dann muss er mit der »gerechten Diskriminierung« rechnen, die von der katholischen Kirche vorgesehen ist. In dem erwähnten Dokument heißt



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