Der eiserne Gustav by Hans Fallada

Der eiserne Gustav by Hans Fallada

Autor:Hans Fallada
Die sprache: de
Format: mobi, epub
veröffentlicht: 2009-12-31T23:00:00+00:00


7

Also ging er wieder in die Villa. Aber so verlogen war er doch nicht, daß er sich einredete, es geschah, um dem Bruder Nachrichten von Sophie zu bringen. Nein, er protestierte, er kämpfte mit sich, aber schließlich gab er nach.

Als Bruder Erich feixend zu ihm, der in der Pracht seiner neuen Kleidung dahinwandelte, sagte: »Na, Bubi, für einen so krassen Idealisten siehst du eigentlich verdammt materialistisch aus!«– da hätte er ihn am liebsten geschlagen vor Wut und Beschämung.

Aber er gewöhnte sich, der Mensch, dieses anpassungsfähigste Geschöpf des Erdballs, gewöhnt sich an alles. Zumal eigentlich keiner etwas Besonderes an seinem veränderten Aussehen zu finden schien …

Die Mutter sagte: »Na, wenigstens für dich tut Erich was – wenn er auch nicht den Weg zu uns findet.«

Und der Vater, mit seinem neuen grimmigen Humor: »Wenn et dir peinlich ist, mir zu jrüßen, von meinswejen brauchste nich wegkucken oder dir hinter ’ne Litfaßsäule vakriechen. Ick kenn dir einfach nich.«

Nein, sie fanden alle nichts Besonderes dabei. Bei den Mitschülern stieg er sogar erheblich im Ansehen. Er bekam, wer weiß woher, den Ruf, eine reiche Freundin zu haben, und so jung waren sie ja nun, trotz Notzeit und Waffensammeln, doch, daß der Umgang mit einer schönen, reichen Frau ihre Schülerherzen wie ein Traum verführte …

Aber wenn es alle selbstverständlich, ja, sogar beneidenswert fanden, in ihm blieb eine Stimme wach, die immer wiederholte, daß Schmach doch Schmach sei …

Natürlich stellte es sich sofort heraus, daß diese Anzüge überhaupt nicht auf Spaziergängen getragen wurden. Einmal, ein einziges Mal gingen sie fünf Minuten weit in den winterlichen Grunewald. Aber Tinette verlangte zornig sofortige Umkehr. Dies sollte ein Wald sein? Besen, häßliche, struppige Besen, verkehrt in die Erde gesteckt, waren das! Ein Boden, der die Schuhe sofort mit Sand und Nadeln füllte! Und sie schwärmte von irgendwelchen Parks, dort im Westen, von ihren weichen, lockeren Laubmassen, von gelb bekiesten Wegen …

»Auch dort ist jetzt Winter, Tinette!«

»Winter? Was redest du, Henri! Nie ist dort wirklich Winter – in den Menschen, meine ich! Ihr seid hier alle Wintermenschen, trübe, kalt. Aber wir sind immer fröhlich, bei uns ist immer Frühling!«

»Immer fröhlich – das gibt es ja gar nicht, Tinette!«

»Gibt es nicht – ach, du solltest sehen …« Sie stockte, dann brach es doch aus ihr hervor: »Wenn die Franzosen doch nicht nur bis zum Rhein vorrückten, wenn sie doch bis hier kämen! Man hätte endlich Menschen, mit denen man lachen kann! Hier ist man ewig allein – ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht soviel gefroren wie hier in diesen paar Monaten!«

»Und damit du mit irgendeinem Leutnant lachen kannst, soll Deutschland die Franzosen im Lande haben? Armes Deutschland!«

»Was geht mich das an?! Hätte ich gewußt, wie ihr wirklich seid – ich wäre nie hierhergekommen. Aber ich bin auf Erich hereingefallen – ich habe geglaubt, ihr anderen wäret auch ein bißchen so wie er. Aber nichts, nichts.«

»Nun, wenn es so schrecklich ist bei uns, Tinette, kannst du ja zurückkehren in deine Heimat. Erich wird dich auch nicht festbinden können!«

Heinz fühlte sich persönlich verletzt.



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