Der Dunkle Code by Ilkka Remes

Der Dunkle Code by Ilkka Remes

Autor:Ilkka Remes [Remes, Ilkka]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783423714327
Herausgeber: DTV Deutscher Taschenbuch
veröffentlicht: 2010-12-31T23:00:00+00:00


19

Dietrich Hermann Gottfried Gruber nahm den silbernen Brieföffner mit Elfenbeingriff zur Hand und riss den Brief aus Faleria auf.

Das Arbeitszimmer, in dem er saß, wurde von einem gewaltigen Schreibtisch dominiert. Vor dem Fenster sah man düstere Fichten, etwas weiter weg leuchteten die schneebedeckten Alpenhänge an der Grenze zu Österreich. Das Haus war 1936 fertiggestellt geworden, zu der Zeit, als Adolf Hitler auf dem Höhepunkt seiner Macht stand.

Die Umgebung war ausgesprochen ruhig, das Haus hatte sich ein Mensch bauen lassen, der seine Ruhe haben und für sich sein wollte. Es lag sechs Kilometer außerhalb von Bergstein, jener Ortschaft, wo Dietrich Gruber den Brief abgeholt hatte.

Die Schreibtischplatte war mit grünem Stoff bespannt. Sie war so groß, dass man auf dem Tisch hätte wohnen oder zumindest Billard spielen können. Dietrich Gruber war jedoch kein Freund des Billardspiels. Zwar hatte er im Prinzip durchaus etwas für Spiele übrig, aber nur dann, wenn das Gewinnen klare mathematische Problemlösungsfähigkeit auf hohem Niveau erforderte. Für ihn waren sogar die Menschen nichts anderes als Spielfiguren auf einem großen Spielbrett, die von höheren Kräften hin und her bewegt wurden.

Auch sein Vater war dieser Überzeugung gewesen. Der Brieföffner stammte aus dem Nachlass dieses genialen Mannes, wie auch die übrige Einrichtung des Arbeitszimmers: die Stehlampe mit dem Teakholzfuß und dem ledernen Schirm, der fünfeckige Pokertisch und die Ledersessel sowie das Bücherregal, das eine ganze Wand einnahm und voller alter deutscher Literatur stand.

Dietrich spähte in das Kuvert und war überrascht. Im nächsten Augenblick kippte er den Inhalt des Kuverts auf den Perserteppich: einen Stapel Werbebroschüren. Auf eine der Hochglanzbroschüren war eine Metallscheibe von einem Millimeter Dicke geklebt worden, offenbar um der Sendung mehr Gewicht zu verleihen.

Verdutzt blätterte Dietrich in den italienischen Reklameschriften. Warum schickte ihm jemand solchen Mist? Diese Frage bereitete ihm ernsthafte Sorgen. Er witterte die Bedrohung, die in diesem Brief lag. Oder war bloß irgendein Italiener so blöd gewesen und hatte ihm die Reklame, die sich im Briefkasten des Hauses in Faleria angesammelt hatte, nachgeschickt? Womöglich hatte derjenige sogar vergessen, den eigentlichen Brief beizulegen …

Auf jeden Fall galt es nun, besonders wachsam zu sein. Dietrich Grubers Gedanken kehrten zu dem Code zurück, von dem sie sich in diesen Tagen normalerweise nie lösten, außer im tiefen Schlaf. Er warf sich die Wildlederjacke über und ging die Treppe hinunter ins Wohnzimmer. An der Wand hing ein Farbfoto von einem Deutschen Schäferhund. Trudi war zehn lange Jahre seine treue Gefährtin gewesen. Nach dem Tod der Hündin im Jahr zuvor hatte er kein Tier mehr haben wollen.

Er nahm den Schlüssel aus dem Küchenschrank und verließ durch die hintere Glastür das Haus. Das Gebäude gegenüber am Hang war ein Lagerhaus, das mit seiner fensterlosen Fassade an eine kleine Festung erinnerte, denn man gelangte nur durch ein eisernes Tor in das aus Naturstein gemauerte Erdgeschoss. Der Anblick des massiven Baus löste ein schmales Lächeln bei Dietrich aus.

Er öffnete das Eisentor und klappte die Riegel zur Seite. Drinnen war es dunkel, feucht und modrig. Dietrich drehte den Lichtschalter, worauf eine verstaubte Deckenlampe anging und gedämpftes Licht verbreitete.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.