Der Augenblick der Liebe: Roman by Martin Walser

Der Augenblick der Liebe: Roman by Martin Walser

Autor:Martin Walser [Walser, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783499240201
Herausgeber: Rowohlt Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2006-05-14T22:00:00+00:00


Das durfte sie doch wohl Glück nennen. So muß es auf dem KolumbusSchiff gewesen sein, als die Neue Welt in Sicht kam. Ein aus dem Innersten stammender Jubellaut, der da drin schon so lange gewartet hatte, immer unterdrückt, immer wieder belehrt, daß es noch nicht so weit sei, daß es vielleicht überhaupt nie so weit sein werde, daß er, der Jubellaut, wahrscheinlich, höchstwahrscheinlich sogar, für immer und ewig im dunkelsten Innersten zu bleiben und dort gespensterhaft zu verkümmern habe. Und jetzt durfte er heraus, der Jubellaut. Der Laut entrang sich ihr. Er hatte Mühe, herauszugelangen. Es war die Geburt eines Lauts. Sie, die Befreierin. Und das würde Gottlieb W. Zürn in Berkeley öffentlich kundtun! Er würde nach Amerika gekommen sein, weil er sich, wie MontaigneLa Mettrie es empfehlen, zum Thema gemacht und damit der Aufgabe, über La Mettrie zu sprechen, beispielhaft entsprochen hat.

Und sie fing an, den Schicksalstext zu übersetzen. Das Befreiungsevangelium, die Frohe Botschaft. Sie hatte noch nie einen Text übersetzt, den man, wenn man ihn las, voll kommen versteht, aber nachher, wenn man ihn übersetzen will, sträubt er sich. Deutsch teilt er sich einfach mit. Aber wenn man diese Einfachheit ins Englische überträgt, ist sie nicht mehr da.

Den Verfasser anrufen. Egal, wer da an den Apparat kam. Und prompt kam sie. Mein Mann ist im Augenblick nicht zu sprechen. Die wußte Bescheid. Die würde ihrem Mann nicht einmal mitteilen, daß er aus Amerika angerufen worden war. Es geht um den Vortragstext, hatte sie noch, zunehmend hilflos, in den Hörer gerufen. Aufgelegt. Das Transatlantik rauschen. Mein Mann. Das besitzanzeigende Fürwort. Aber Beate konnte nicht aufgeben. Sie rechnete. Wenn die Frau in Pfullendorf und sonst wo war, mußte er an den Apparat kommen. Der Gefangene. Und er kam an den Apparat. Sie jubelte. Ihm zu. Dem Text zu. Gestand aber unterwürfig, daß sie das nicht ohne ihn ins Englische zu bringen wage. Sie macht eine Rohfassung. Dieses Wort endlich in einer sie begeisternden Verwendung. Er kommt, dann schmiegen sie gemeinsam den Text ins Englische. Das heißt aber, daß er nicht vierundzwanzig Stunden vor der Tagung eintrifft, sondern vier, fünf, am besten sechs oder sieben Tage. Am Montag, dem 19. März. Sie wird freinehmen. Das wird nicht leicht sein. Sie kann das nur fordern, weil die Übersetzung das fordert. Er klang sowohl glücklich wie bedenklich. Am liebsten käme er vierzehn Tage vorher, aber er wisse schon jetzt, daß mehr als vier Tage vorher nicht drin seien. In was drin, dachte sie und sagte: Wenn du meinst. Er so kleinlaut wie noch nie: Ich nicht, aber ... Und ließ den Satz routiniert hängen. Sie sagte: Ich verstehe. Und er: Danke. Sie legte auf. Warum wurde es ihr jetzt nicht schlecht! Warum kotzte sie jetzt nicht! Weil sie es nachher selber wieder aufputzen müßte. Nein, nein. Einer Frau in historischer Funktion und Mission wird es nicht mehr schlecht. Sie wird gebraucht. Sie ist die Befreierin. Und das ist weder Anmaßung noch Einbildung. Rise to the Occasion.

Wie immer Anfang März, die floridasüchtigen Eltern. Die



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