Das Wuestenhaus by Gernot Wolfram

Das Wuestenhaus by Gernot Wolfram

Autor:Gernot Wolfram [Wolfram, Gernot]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
ISBN: 9783421044983
Herausgeber: DVA
veröffentlicht: 2011-02-02T00:00:00+00:00


Leider, sagten Sie, stünde das Gebäude auf dem Programm einiger großer Reiseanbieter. Es seien also Touristen in der Synagoge zu erwarten. Dann erhoben Sie sich, den Sand von der Haut streifend, und sagten, es herrsche dort eine wunderbare Ruhe. Ein weiter weißer Innenhof, offene Türen mit schmalen Halbbögen und ein besonderes Licht, das man in Europa kaum je in dieser Form finde. »Es ist wie ein Haus außerhalb der Zeit, ein Ort vollkommener Stille.«

Sie gingen eine Weile mit meinem Vater spazieren, schwammen eine halbe Stunde allein im Meer und sagten dann, sie müssten noch etwas in Ihrem Zimmer erledigen, Vorbereitungen für die Abreise.

Mein Vater wollte unbedingt, dass wir zu der Synagoge fuhren. »Ich würde gern einen Stein aus der Umgebung dort mitnehmen für meine Sammlung.« Wir waren dagegen, vielleicht auch aus dem Grund, dass bereits der Abend, an dem wir Ihrer Einladung zu dem Fest gefolgt waren, so merkwürdig geendet hatte. Meine Mutter sagte: »Glaubst du nicht, wir sollten ein bisschen zur Ruhe kommen? Einfach nur Zeit miteinander verbringen, ohne irgendeine neue Ablenkung?«

Mein Vater nickte und drückte ihre Hand.

Die Zeit bis zum Abend verging schnell. Meine Eltern hielten Mittagsschlaf in ihrem Zimmer. Ich besuchte Tamir in der Küche des Hotels, wo mir der Koch auf Tamirs Wunsch hin Hummus mit Mandeln und Öl zum Probieren gab. Eigentlich wollte ich Sie sehen, traute mich aber nicht, an Ihrer Tür zu klopfen.

Während des Abendessens fragten Sie noch einmal meine Eltern: »Werden Sie hinfahren? Ich beneide Sie sogar ein bisschen um diese Möglichkeit.«

Mein Vater scherzte, er könne sich mit seinen kulturellen Interessen nicht beim Rest der Familie durchsetzen. Aber er würde gerne - und das sagte er mit einer gepressten Ironie in der Stimme - nach zwei, drei weiteren Tagen allgemeinen Ausruhens vielleicht doch noch vor der Heimreise Ihrer Empfehlung folgen. Bislang könne er sich jedoch gegen die Mehrheit leider keine Stimme verschaffen. »Sie haben keine Familie, oder? Ich muss da Rücksicht nehmen.« Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Ohne die beiden würde es mir auch keine Freude machen.«

Beiläufig zogen Sie aus Ihrer Innentasche einen kleinen Prospekt, auf dem die Synagoge mit den weißen, schlanken Torbögen abgebildet war - und wirklich, wie eine Karawanenherberge in der Wüste sah das Haus darauf aus. »Sie haben recht, aber manche Gelegenheiten kommen nur selten. Wer weiß, wie lange solche Orte noch ihre Kraft behalten.«

Sie waren offensichtlich verliebt in die Idee, dass dieser Vorschlag eine wunderbare Wirkung bei meinen Eltern entfalten würde. Vielleicht waren Sie es auch einfach nur gewohnt, dass Ihre Überzeugungskraft alle Widerstände spielerisch überwand.

Mein Vater nahm den Prospekt und betrachtete das Bild auf der Frontseite. Es war - das konnte man bei näherem Hinsehen entdecken - ein altes Foto mit einer leichten Unschärfe, dennoch stachen die blauen Türen auf dem Bild hervor, der Himmel war wolkenlos und weit. »Das ist wirklich eine ungewöhnliche Architektur.«

Im Inneren des Prospekts waren die Holzbänke in der Haupthalle zu sehen, das gedämpfte Licht in den länglichen, hoch oben angebrachten Fenstern, lange, farbige Tücher mit grünen, orangen und



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