Das wird mir nicht nochmal passieren: Meine fabelhafte Jugend (German Edition) by Tom Pauls

Das wird mir nicht nochmal passieren: Meine fabelhafte Jugend (German Edition) by Tom Pauls

Autor:Tom Pauls [Pauls, Tom]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2015-04-13T16:00:00+00:00


Fußball und Randale

Mit der ebenfalls von meinem Großvater genähten blau-gelben Lok-Leipzig-Fanfahne zog ich bei fast jedem Heimspiel ins Bruno-Plache-Stadion. Die 1922 eröffnete Arena befand sich nur ein paar Gehminuten von unserer Wohnung entfernt. Wenn ich nicht beim Spiel dabei war, konnte ich bei geöffnetem Fenster die Rufe der Lokanhänger deutlich hören. Die Torschüsse konnte ich anhand der akustischen Signale mitzählen.

Der eine oder andere hat es vielleicht schon vergessen, aber der 1. FC Lokomotive Leipzig gehörte in den siebziger Jahren zeitweilig zu den erfolgreichsten Klubmannschaften Europas. 1974 schafften es die Lokschen bis ins Halbfinale des UEFA-Pokals. Wie im Rausch hatten sie zuvor internationale Spitzenvereine wie AC Turin, Wolverhampton Wanderers, Fortuna Düsseldorf und Ipswich Town besiegt. Beim Aufeinandertreffen mit Tottenham Hotspur endete die Glückssträhne meiner Mannschaft. Was haben wir gelitten!

Hautnah dabei war ich bei den UEFA-Pokalspielen im Zentralstadion ebenso wie bei vielen, vielen Oberligaspielen im Plache-Stadion. Nicht jedes Match der DDR-Oberliga sorgte für Hochspannung. Ich musste mir mehr als einmal die Zeit vertreiben, um der Langeweile vorzubeugen. Sehr unterhaltsam fand ich es, den Anhängern des Gegners einen Streich zu spielen. Einmal stand ich hinter einem Magdeburger Fan, der seine große blau-weiße Vereinsfahne geschultert hatte, weil es auf dem Rasen gerade nichts zu bejubeln gab. Ich starrte auf den Stofffetzen und überlegte. Die Sonne schien, und ich kam auf die Idee, die trockene Witterung zu nutzen, um ein bisschen zu kokeln. Mit der Hand zog ich, ohne mir groß Gedanken zu machen, das Benzinfeuerzeug aus der Hosentasche, drehte das Metallrädchen über dem Feuerstein – und schon loderte der Docht. Immer näher und näher bewegte ich meine Hand an die Magdeburgfahne, bis die Flamme endlich den Stoff entzündete. Ich weiß nicht, welche Art Stoff der Besucher aus Magdeburg für seine selbstgebastelte Flagge genutzt hatte. Das Zeug brannte jedenfalls in Windeseile lichterloh. Keine fünf Sekunden vergingen, da merkte der Grobian aus der Elbestadt, was mit seinem Fan-Utensil geschehen war. Er drehte sich um, fluchte kurz, erkannte mich sofort als den Übeltäter und platzierte seine Faust in meinem Bauch. Dass er mich nicht krankenhausreif schlug, hatte ich einigen mitleidigen Leipzigern zu verdanken, die mich dem Hooligan entrissen. Danach ebbte mein Interesse an Stadionbesuchen ab. Nur manchmal traf man sich an Spieltagen noch in der Kantine des Plache-Stadions. Der mit Neonlicht erhellte Raum mit den Stahlrohrstühlen und den Sprelacarttischen roch beißend nach Qualm, säuerlichem Bier und ungewaschenen Menschen. Vornehmlich Männer versammelten sich auf dem schmierigen Boden der Spelunke, schubsten und drängelten, um Bier, Schnaps, Limo und eines der zwei Gerichte zu ordern: Bockwurst oder Jägerschnitzel.

In diesem Moloch arbeitete ein abgebrühter Kneipenwirt, der wettete einmal, dass ein volltrunkener Fußballfan alles isst, was man ihm vorsetzt. Ich hielt dagegen. Der Wirt nannte sein Gericht vollmundig Jägerschnitzel nach Lokscher Art. Für Leute, die es einmal ausprobieren wollen, habe ich mir damals das Rezept gemerkt und später aufgeschrieben.

Jägerschnitzel nach Lokscher Art

(für 1 bis 2 volltrunkene Personen)

Zutaten

2 bis 4 benutzte Pappbierdeckel (Bierfilz)

¼ Liter lauwarmes Wasser

1 Eigelb

½ Tasse Semmelbrösel

2 Esslöffel Sonnenblumenöl

Salz und Pfeffer

Senf

Zubereitung

Bierdeckel zehn Minuten in lauwarmem Wasser einweichen und kräftig aufquellen lassen, herausnehmen und trocken tupfen.



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