Das wilde Land by Heinz G. Konsalik & Susanne Scheibler
Autor:Heinz G. Konsalik & Susanne Scheibler [Scheibler, Heinz G. Konsalik & Susanne]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2010-09-28T04:00:00+00:00
Alexej wurde noch am selben Tag im Nowodewitschi-Kloster verhaftet und nach Preobraschenskoje gebracht. Weruschka erfuhr es erst, als sie, nachdem sie zwei Stunden vergeblich auf ihren Mann gewartet hatte, einen Hausknecht ins Kloster schickte, um nach ihm zu fragen.
Eine halbe Stunde später war sie ebenfalls auf dem Weg nach Preobraschenskoje. Weruschka fühlte sich nicht besonders gut an diesem Tag. Sie war jetzt im dritten Monat schwanger, litt unter Übelkeit und Erbrechen, und Alexej hatte besorgt gemeint, dass sie statt runder immer schmaler würde.
»Das kommt noch«, hatte sie zu ihm gesagt. »Warte es nur ab – eines Tages werde ich so unförmig sein, als hätte ich eines der kugelig geschnittenen Bäumchen aus Kukui verschluckt.«
Heute Morgen war das gewesen, bevor er zum Nowodewitschi-Kloster gefahren war …
Wera Fjodorowna biss sich auf die Lippen. Nein, sie wollte nicht weinen, nicht jetzt. Gewiss war alles nur ein schrecklicher Irrtum, und Alexej würde kein Haar gekrümmt werden …
Über Preobraschenskoje hing eine grauenhaft stinkende Dunstglocke. Es roch nach Blut, versengtem Fleisch und verwesenden Leichen, denn der Zar hatte befohlen, diejenigen, die man inzwischen aufgehängt hatte, zur Abschreckung noch zwei Tage am Galgen zu lassen. Überall brannten Holzfeuer, durch die es beinahe taghell war, und als Wera ihre Kutsche vor den Soldatenkasernen halten ließ, war sie sofort von Wachen umringt.
Sie wusste, dass ihr Vater immer noch zu Bett lag, deshalb fragte sie nicht nach ihm, sondern nach Oberst Makujew, seinem Stellvertreter. Tichon Makujew empfing sie auch sogleich.
»Gräfin Bjelskaja, was ist Euch nur eingefallen! Ich rate Euch, auf dem schnellsten Weg nach Moskau zurückzukehren.«
Sonst war er immer sehr freundlich zu ihr gewesen, und als Kind hatte er sie sogar manchmal auf seinen Knien geschaukelt. Aber dieses Mal wirkte er peinlich auf Abstand bedacht. Es war seinem gelblichen Hamstergesicht mit den Hängebacken anzusehen, wie unbehaglich er sich fühlte.
»Mein Mann …«, stieß Wera hervor. »Man soll ihn hierher gebracht haben. Ich will zu ihm …«
»Das ist unmöglich. Ich weiß nicht, ob es Euch gestattet sein wird, ihn überhaupt noch einmal zu sehen.«
»Noch einmal?«, wiederholte Wera alarmiert. »Was heißt das?«
»Unser durchlauchtigster Zar hat den Leutnant Alexej Bjelskij zum Tode verurteilt«, sagte der Oberst militärisch und zuckte gepeinigt zusammen, als Wera aufschrie:
»Das ist nicht wahr! Das kann nicht sein!«
Sie stürzte auf Makujew zu und packte ihn bei den Ärmeln seiner Uniform. »Ich bitte Euch, Tichon Andrejewitsch … Ihr müsst doch wissen, dass Alexej unschuldig ist. Niemals hat er sich an irgendeiner Verschwörung gegen den Zaren beteiligt! Alle, die ihn kennen, müssen das wissen, auch der Zar selbst.«
Der Oberst machte sich frei und kehrte hinter einen Tisch zurück, der mit allerlei Schriftstücken bedeckt war. Er musste vorsichtig sein. Heutzutage saß jedem Strelitzen der Kopf locker auf dem Hals. Am besten hätte er die Bjelskaja gar nicht vorgelassen. Womöglich verdächtigte man ihn sonst noch geheimer Konspiration mit der Familie eines Verurteilten.
»Man hat, als man Graf Bjelskij verhaftete, auch sogleich die Zarewna Sofija vernommen. Der Zar war anwesend, und die Zarewna hat die Anschuldigungen gegen Euren Gatten bestätigt.«
Wera presste die Hände gegen die Schläfen. »Dann lügt sie! Alle lügen, die so etwas behaupten! Oder …« Ihre Augen wurden ganz weit vor Entsetzen.
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