Das Spiel des Schicksals by L. R. Powell

Das Spiel des Schicksals by L. R. Powell

Autor:L. R. Powell [Powell, L. R.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3570307433
Herausgeber: cbt
veröffentlicht: 2011-10-26T22:00:00+00:00


Als Cat am Nachmittag in die Wohnung zurückkehrte, war sie zu müde, um zu denken, ja fast zu müde, um irgendetwas zu fühlen. Nach allem, was geschehen war, empfand sie die Taubheit in ihrem Herzen als Erleichterung.

In den nächsten Tagen vergrub sie sich mit der Wundersamen Welt des Tarot in ihrem Zimmer und versuchte, sich so weit mit den Karten vertraut zu machen, dass sie sie im Spiel der Trümpfe wiedererkennen würde. Einige waren leichter zu behalten als andere. Der Narr war die Karte der Joker; Fortuna war diejenige, die eine Lotterie einberief. Die vier Asse verkörperten die vier Elemente. Die Großen Arkana waren die Trumpfkarten und die Kleinen Arkana die Hofkarten … Cat vermutete, dass die Buben hauptsächlich in die Hofkarten verwickelt waren, die jeweils Gruppen von Menschen bei irgendwelchen Tätigkeiten zeigte, oftmals beim Kampf. Aber viele der Hofkarten wirkten genauso fantastisch wie die Trümpfe, und es war unmöglich, vorauszusagen, was für ein merkwürdiges Leben das Arkanum ihnen einhauchen würde.

Zu einer Trumpf karte kehrte sie immer wieder zurück. Es war das Bild einer streng wirkenden Frau, die in der einen Hand ein Schwert und in der anderen eine Waage hielt. Die Gerechtigkeit. Cat wusste, dass das Spiel die Gerechtigkeit lebendig werden lassen und einem Ritter die Macht der Enthüllung schenken konnte, das Recht zu urteilen und zu bestrafen. Aber weil es ein Trumpf war und sie ein Joker, war dies ein Preis, den sie nicht gewinnen konnte.

Bitte, klang ihr wieder und wieder die Stimme ihrer Mutter in den Ohren, das ist ein Missverständnis. Und die andere Stimme, die dritte, diejenige, die immer außerhalb ihrer Reichweite blieb …

Außerhalb ihrer Reichweite in der gewöhnlichen Welt, ja, aber im Arkanum wurden die Karten neu gemischt. Dort, wo Zeit und Entfernung verschwammen, mochte sie alle möglichen und unmöglichen Dinge entdecken – vergessene Stimmen, geheime Wahrheiten, ihr vergangenes Glück. Vielleicht fand sie sogar die Person, die es ihr geraubt hatte. In diesem Falle würde Cat keine Trumpfkarte brauchen. Dann würde sie auf eigene Faust für Gerechtigkeit sorgen.

Sie sagte Bel, dass sie wohl eine Grippe ausbrüten würde. Keiner von ihnen beiden hatte noch einmal die Ereignisse von Samstagabend angesprochen. Es war, als ob sie eine plötzliche Scheu voreinander entwickelt hätten, besonders Bel, und Cat empfand ihre Nervosität als höchst beunruhigend. Im Augenblick glaubte Bel einfach, dass sie immer noch die wahren Umstände des Todes ihrer Eltern verarbeiten musste, aber Cat wusste, dass von nun an immer das unbegreifliche, unerklärliche Geheimnis des Arkanums zwischen ihnen stehen würde. Der Gedanke daran ließ die Taubheit in ihrem Inneren ins Grenzenlose wachsen. Ihr wurde kalt.

Aber am Mittwochnachmittag beschloss Bel, dass es jetzt reichte. Als Cat in die Küche geschlurft kam, um sich einen Toast zu machen, war der Raum mit Lichterketten dekoriert, an denen bunte Plastikfrüchte hingen. Grell leuchtende Bananen, Orangen und Trauben tropften von den Wänden, und an der Oberkante des Türrahmens hing ein Streifen rotes und grünes Lametta. Ihre Tante saß auf einem Stuhl, die Füße auf dem Tisch, eine Papierkrone auf dem Kopf, und löffelte Nougatcreme aus einem Glas.



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