Das Mondmalheur (German Edition) by Kannenberg Anette
Autor:Kannenberg, Anette [Kannenberg, Anette]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-07-16T22:00:00+00:00
Am nächsten Tag hatte sie den Vorfall dank der ihr angeborenen Tüddeligkeit schon fast wieder vergessen. Ihr Atem kondensierte in der kühlen, sternklaren Sommernacht, während sie verträumt in den dunklen Nachthimmel schaute. Der Ring, der den Mond seit den vielen Jahren nach der Katastrophe umgab, schimmerte orange und warf einen dunklen Schatten auf den ziemlich angeknabberten Erdtrabanten. Die junge Frau lenkte Gedanken und Blick wieder zurück zur Erde hin zu ihrem Marktstand. Der war nämlich – sogar im Vergleich mit dem himmlischen Anblick dort oben – mit Abstand der schönste der Welt. Die Waren, die sie feilbot, leuchteten dank Honey Pops, Coco Flakes und Müslichocs in den verschiedensten Farben und verwandelten die Umgebung gemeinsam mit dem passenden Hintergrundgedudel und den süß duftenden Knabberpads des Nachbarstandes in ein alle Sinne ansprechendes Gesamtwerk.
Auf dem Nachtmarkt am Anhalter Bahnhof herrschte reges Treiben, wie fast immer, wenn es nicht gerade extrem stürmte, schneite oder hagelte. Die meisten Leute, die hierherkamen, wohnten in der Nähe und waren entweder auf der Suche nach Schnäppchen oder kauften Dinge für den nicht ganz alltäglichen Bedarf. Einen Tag vor dem Jahrestag des Mondmalheurs verirrten sich nun noch einige zusätzliche Menschen hierher, um im letzten Moment hübschen, aber überflüssigen Firlefanz für die Lieben zu kaufen, ein Geschäft, das Elena sich auf keinen Fall entgehen lassen wollte. „Gedenklampen!“, rief sie. „Farbige Gedenklampen!“
„Was soll der Grüne da kosten?“ Ein Typ in einem gelb-schwarz gestreiften Anorak, der ihn aussehen ließ wie eine zu groß geratene Hummel, deutete auf ein grün leuchtendes Marmeladenglas.
„Ou, da haste dir aber einen ganz besonderen ausgeguckt. Das ist ein spezieller Tiefseeangler, ein sogenannter Ceratioideichloros“, behauptete Elena, wie sie es immer behauptete. „Die meisten Tiefseeangler leuchten farblos, wie du sicher schon mal gesehen hast.“ Sie schaute ihrem Gegenüber in die Augen, um einzuschätzen, ob sie die pseudowissenschaftliche Ebene beibehalten oder doch besser überwechseln sollte zum künstlerischen Aspekt der bunten Fische im Glas. Doch dann entdeckte sie den Aufnäher an der Jacke ihres potentiellen Kunden und grinste siegessicher.
„Die verlieren in Gefangenschaft nämlich ihre Farbe“, murmelte sie wie beiläufig und versuchte gleichzeitig, ihrer Stimme einen leicht empörten Ausdruck zu verleihen. Offensichtlich hatte sie genau damit seine Aufmerksamkeit erregen können, denn der Mann hob das leuchtende Glas an und prüfte skeptisch seinen teilnahmslos vor sich hinblubbernden Inhalt. Elena triumphierte innerlich: Der Kunde reagierte wie geplant auf das von ihr dargebotene Reizwort. Mit seinem Aufnäher mit der Aufschrift Dolphin Love! hatte er es ihr aber auch extrem leichtgemacht. Sie legte dem Umweltschützer verbrüdernd ihre Hand auf die Schulter und fuhr fort: „Die Grünen, Gelben und Roten, das sind die, die frei im Meer rumschwimmen, die, die nicht eingepfercht sind in viel zu kleinen Bassins.“ Gekonnt schüttelte sie den Kopf. „Hunderte auf einem Quadratmeter“, sagte sie traurig. „Aus Verzweiflung fressen die den eigenen Nachwuchs, vegetieren elendig dahin!“ Sie log, ohne mit der Wimper zu zucken. Dass das Lämpchen der kleinen Fischdame lediglich aufgrund ihrer Vorliebe für Coco Flakes grün leuchtete, musste der ja nicht wissen.
„Was soll er denn kosten, und wie lange hält der sich?“ Die Hummel hatte den Köder geschluckt.
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