Das Konzert (German Edition) by Lange Hartmut

Das Konzert (German Edition) by Lange Hartmut

Autor:Lange, Hartmut [Lange, Hartmut]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 9783257601053
Herausgeber: Diogenes Verlag AG
veröffentlicht: 2015-01-21T05:00:00+00:00


10

»Tja«, sagte Liebermann, nahm seinen Kneifer ab und schwieg, als wollte er, was er eben gehört hatte, nochmals überprüfen. »Es ist aber doch«, sagte er, »gut gemeint, und die Anwesenheit Klevenows konnte nicht mißverstanden werden.«

Lewanski starrte auf die Vase aus chinesischem Porzellan, die ihm den Blick über den Tisch hinaus verstellte. Liebermann wollte ihm einen Likör reichen, stellte das Glas, als Lewanski keine Anstalten machte, danach zu greifen, neben die Vase, trat an das hohe Atelierfenster und sah in die Dunkelheit hinaus.

»Natürlich«, fügte er nach einer Weile hinzu, »der Mann (und damit meinte er Schulze-Bethmann) hat mit dem, was wir gemeinhin das Leben nannten, wenig im Sinn. Es gibt Leute, die lasten alle Schuld nur dem Lebendigen an, und vielleicht bedauert er sein gewaltsames Ende weniger als jene, deren Gesellschaft er aufsucht.«

»Er wünscht, mit seinem Mörder einig zu sein«, sagte Lewanski.

»Dies ist, das gebe ich zu, ein verwegener Gedanke«, antwortete Liebermann, »aber er ist versöhnlich gemeint«, und als er sah, wie verständnislos, ja hilflos Lewanski seinen Blick erwiderte, sagte er: »Ich mag diesen Mann auch nicht, aber wollen Sie ihm verbieten, über den Zustand des Todes eine besondere Meinung zu haben?«

Er setzte sich auf einen Gartenstuhl, betrachtete ein Selbstbildnis, an dem er malte, und Lewanski sah in dem hohen Spiegel, der auf einer Staffelei angebracht war, Liebermanns Gesicht, das von der nahen Lampe und dem schwachen Widerschein des Himmels, der durch das Atelierfenster fiel, genügend Licht erhielt. Er sah den kahlen Schädel, dessen Nacken ausrasiert war, die energische, bis zum Schnauzbart herabgezogene Nase, den prüfenden Ernst der Augen und jene zwei Falten, die von der Nasenwurzel aus über die Stirn liefen und die der aristokratisch wirkenden Erscheinung etwas Bekümmertes gaben.

Er wurde ruhiger und ließ die abwesende Aufmerksamkeit seines Gastgebers gern gelten, weil es ihm gefiel, daß Liebermann auf unbedingte Weise und ohne sich um Höflichkeiten zu kümmern, plötzlich mit seiner Kunst beschäftigt war.

›Was für ein Mut zur Selbstverliebtheit‹, dachte Lewanski, ›vor einem Spiegel sitzend, mit dem eigenen Anblick beschäftigt zu sein!‹ Dies hatte er an den Malern immer bewundert.

Liebermann nahm einen kleinen Pinsel zur Hand und begann, auf der Leinwand, vor der er saß, herumzutupfen, gab dem Strohhut, den er seinem Konterfei aufgesetzt hatte, etwas mehr Gelb, und nun war es Lewanski, als hätte auch er, wie jener nachdenkliche, ehrfurchtgebietende Greis, das Recht, Dinge zu tun, die einzig seinem Selbstgefühl schmeichelten.

»Es ist unmöglich«, sagte er. »Niemand wird mich zwingen, vor einem Publikum zu spielen, das derart schuldig geworden ist.«

»Das verlangt auch niemand«, antwortete Liebermann. »Sie erwähnten ja, Sie hatten auf Ihren Spaziergängen Begegnungen ähnlicher Art, die Ihnen unannehmbar waren. Trotzdem würde es mir leid tun, sollte man Schulze-Bethmann gründlich mißverstehen, nur weil er über die Abgründe des Lebens großzügiger als andere zu urteilen imstande ist.«

Damit erhob er sich wieder, begann den Pinsel mit einem Leinentuch zu säubern, ging zum Tisch, nahm sein Glas mit Likör auf, das er, da auch Lewanski nicht trank, unberührt hatte stehen lassen.

»Es heißt doch«, sagte er, »im Tode wären wir alle gleich, und wer seinen



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