Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman by Meier Georg

Das Jahr der wundersamen Elvis-Vermehrung - Roman by Meier Georg

Autor:Meier, Georg [Meier, Georg]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Dittrich Verlag GmbH
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


»Aber deswegen bist du nicht nach Hamburg gekommen.«

Mein Blick huschte über die Gesichter. Es kam mir vor, als hätte ich sie alle schon im Knast getroffen. War natürlich nicht so, aber jeder aus dieser Runde verkörperte einen bestimmten Typus, dem man in jedem größeren Knast begegnete. Der freundliche Typ war allerdings nicht darunter. Nun, ich verzog den Mund zu einem lakonischen Grinsen, dann erzählte ich ihnen von Geli, von den 60 000 Mark, die ich mir wiederholen wolle.

Die Erwähnung einer konkreten fünfstelligen Geldsumme rief bei solchen Leuten Reflexe hervor, die zwar nicht so extrem ausfielen wie die des Pawlow’schen Hundes, doch eine gewisse Unkontrolliertheit war zu erkennen: Zungen strichen über Lippen, Schluckbewegungen, Flackern in den Augen.

Ein Schwarzhaariger, dessen fein gestutzter Oberlippenbart sich an beiden Seiten bis zum Kinn hinunterzog, fragte scheinbar gelangweilt: »Glaubst du denn, davon sei noch was vorhanden?«

»Keine Ahnung. Ich weiß auch gar nicht, ob ich mich wirklich mit den beiden Rockern anlegen möchte.«

»Das wäre kein Problem«, sagte der Schwarzhaarige mit einer Bestimmtheit, die für einen Moment Hoffnung in mir weckte. Doch erst mal wurde das Thema beiseite geschoben, denn der Silberhaarige ergriff souverän das Wort, wobei er mich nachdenklich ansah. »Vielleicht hab ich’n Job für dich. Machst ja’n ganz passablen Eindruck. Morgen um die gleiche Zeit kann ich dir sagen, ob’s hinhaut.«

»Hört sich gut an. Würde mich freuen, wenn’s klappen sollte.« Von dem Alten blickte ich kurz auf die anderen. Nach ihren Mienen zu urteilen, schienen sie von meiner Reaktion ein wenig enttäuscht zu sein. Hatten wohl mit einer stärkeren Dankbarkeitsbezeugung gerechnet. Wahrscheinlich war es eine Ehre, fast schon eine Auszeichnung, von der Silbertolle einen Job in Aussicht gestellt zu kriegen. Kam natürlich auf den Job an. Erst mal scheißegal, ich hatte jetzt einen Fuß in der Tür, vielleicht auch bald einen Spitznamen, was in dieser Szene einem Adelsprädikat entsprach. Ein paar spontane Vorschläge flogen durch mein Hirn, etwa Knochenbrecher-Brecher, Zwei-Personen-Puff-Hans, Araber-Hansi oder gar Todesengel, aber darauf hätte ich ohnehin keinen Einfluss und würde mich auch nicht wundern, wenn sie sich beispielsweise auf Bockmist-Hansi einigen sollten.

Es wurde noch richtig gemütlich. Der Silberrücken ließ sich nicht lumpen und gab mehrere Runden aus, die Porno-Schauspieler schaufelten sich Kokain in die Nase und ließen sich mühelos zu einer Kostprobe ihrer Kunst überreden, ein 1956 aus Ungarn geflüchteter Csárdás-Geiger, der nach frustrierendem Tingeln durch circa zwanzig Lokale sein Feierabend-Bier trinken wollte, wurde aufgefordert, das Instrument noch einmal auszupacken, was er ohne Umschweife tat. Den Bogen mit Hingabe über die Saiten streichend, ließ er csárdásmäßig die Geige schluchzen, trieb damit auch prompt die eine oder andere Träne in so manches Auge und wurde danach mit Geld, na ja, nicht gerade zugeschüttet, aber doch recht ordentlich beworfen.

Hein und Antje – er mit Schifferklavier, sie mit zittriger Singstimme irgendwo zwischen Alt und Sopran – hatten ebenfalls ihre Tour durch die Kneipen beendet und gaben hier noch mal alles. Ich beteiligte mich höflicherweise am Applaus, obwohl Seemannslieder normalerweise den Fluchtreflex in mir aktivierten.

Der Alte hieß übrigens Berti Drossel. »Der Name passt überhaupt nicht zu dir«,



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