Das Halsband der Tauben by Raja Alem

Das Halsband der Tauben by Raja Alem

Autor:Raja Alem [Alem, Raja]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Arabien, Asien, Islam, Mekka, Religion, Saudi-Arabien
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 2015-11-23T16:00:00+00:00


Dschamila

Zwischen Jussufs Aufzeichnungen und Aischas Mails bewegte sich Inspektor Nassir wie in einem Fantasiemekka, das nichts zu tun hatte mit dem Mekka, in dem er eigentlich Dienst tat. Eines Nachts stieß er auf ein Schriftstück aus Jussufs Feder, das ihn überraschte. Es trug den Titel »Scheich Musahims größtes Geheimnis«.

1. Januar 2005

Dschamila, die junge Jemenitin, kommt, in ihre schwarze Abaja gehüllt, die von oben bis unten geöffnet ist und nichts verhüllt. Ihr Kopftuch, das aus dem Jemen stammt, ist nachlässig über die Schultern geworfen und lässt ihre Zöpfe unbedeckt. Ihr Erscheinen lässt Scheich Musahim fast das Herz stehen, er schluckt trocken. Dschamila sieht aus wie ein saftiger Kürbis, alles an ihr ist frisch wie Landbutter. Sein rechtes Auge, noch nicht getrübt vom grauen Star wie das linke, versinkt in ihrem Schoß.

»Hereinspaziert, du Schöne, die ich so gern verwöhne!«

»Bitte einen Galaxy-Riegel.« Dschamilas Stimme hallt in Musahims Höhle wider.

Er nickt. »Mein Laden samt Inhalt steht ganz zu deiner Wahl, und Lollipops gibts ohne Zahl. Außerdem Limonade, Schokolade, Marsriegel mit Karamell, Kitkat, Bounty und Kokosnuss. Deine Wahl fällt auf das Höchste: Galaxy.«

Diese armen jemenitischen Arbeiter, denkt Musahim dankbar, schuften und schuften, aber trotzdem finden sie glücklicherweise noch die Lust, sich fortzupflanzen!

Die Augen fest auf den in dunkles Stanniol gehüllten Galaxy-Riegel gerichtet und völlig vom ranzigen Kakao hypnotisiert, lehnt sich Dschamila vor. Scheich Musahim reicht ihr die Süßigkeit und berührt dabei absichtlich ihre Fingerspitzen. Seine Augen treten aus den Höhlen. Kein Schnupftabak, kein Kat, nichts berauscht ihn so sehr wie die knisternde Spannung zwischen ihm und diesem frischen jungen Mädchen. Gerade über die Schwelle zur Frau, verströmt sie einen Duft, der bis in Scheich Musahims Zehen wirkt. Es ist ein Geruch, in dem die Holzkohleverkäuferin wieder aufblitzt, eine Beduinin, die ihn, den damals Siebenjährigen, unter ihre Röcke schob, als sein Stamm wieder einmal überfallen wurde. Die Mädchen der Stämme besticken ihre Kleider von früher Kindheit an für ihre Hochzeitsnacht. Und bis zu ihrem Tod legen sie sie nie mehr ab, sammeln darin alle Augenblicke von Leben, Leidenschaft und Tod. Alldem begegnete er unter dem Rock jener Frau. Da erhob er sich wie der Dschebel Tuwaik, und aus seinem Gipfel brachen Fluten hervor, mit denen man Gärten hätte bewässern können. So ähnlich geht es ihm jetzt, wenn die fünfzehnjährige Dschamila vorbeikommt. Sie rührt an Vergessenem und erinnert ihn an längst Vergangenes, auch an den unerfüllten Traum von einem männlichen Erben. In Dschamilas Blick liegt die Ruhe einer Kuh. Ja, etwas fehlt in Dschamilas Gesicht: der Abscheu. Auch der Trotz. In Dschamilas Augen findet der Scheich etwas wieder, das ihm Umm Asa, seine Frau, schon vor langer Zeit genommen hat.



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