Das Geheimnis des Nostradamus by Uschi Flacke

Das Geheimnis des Nostradamus by Uschi Flacke

Autor:Uschi Flacke
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2010-12-06T23:00:00+00:00


Am nächsten Morgen war Nostradamus schon früh auf den Beinen. Das dumpfe Stampfen seiner Schritte hatte Marie aus dem Schlaf geschreckt. Sie blinzelte in zaghaftes Sonnenlicht, das durch schmale Ritzen verstohlen in ihre Kammer fiel. Verschlafen zog sie sich die raue Leinendecke über den Kopf. Das Stroh der Matratze piekte in ihre nackten Beine, aber sie empfand das Nachtlager als Geschenk des Himmels. Wie oft hatte sie zwischen stinkenden Söldnern, verlausten Wegelagerern und herumziehenden Vagantenweibern hinter einem Bretterverschlag auf blanker Erde übernachten müssen! Jedes Mal war sie noch vor Sonnenaufgang aufgewacht, von Wanzen und Flöhen zerbissen. Dennoch hatten sie eng zusammengelegen, froh über die wohltuende Wärme, die andere Körper ausstrahlten.

»Marie?«, hörte sie die ungeduldige Stimme des Arztes. »Zieh das neue Kleid an, das aus dem edlen Stoff aus Lyon. Wir haben eine wichtige Verabredung!«

Als sie in die stickige Küche kam, schöpfte Nostradamus gerade aufgekochtes Wasser aus einem Eisenkessel und goss frischen Tee auf. Trübes Licht fiel grau und behäbig durch ein schmales Fenster und verfing sich in dem aufsteigenden Dampf aus der Teekanne. Nostradamus wirkte ausgeschlafen. Sein dichtes Kopfhaar war ordentlich gekämmt. Erste graue Haare durchzogen wie winzige Verästelungen den Vollbart, der den Gelehrten zu Eigen war. Er hatte einen eleganten Umhang um die Schultern geworfen, der aus einem Stoff der besten Webereien von Florenz gefertigt war. Das Kragenbündchen seines weißen Hemdes war bestickt. Vorsichtig reichte er ihr eine Tasse von dem köstlich duftenden Tee. »Hier«, sagte er. »Und genieße den Duft, lass das Aroma genüsslich auf der Zunge zergehen. Du weißt um die gegenseitige Beeinflussung von Körper und Seele. Es wird der Tag kommen, an dem quälende Angst in dir aufsteigt, die auf dein körperliches Befinden verheerende Auswirkungen haben wird, wenn du ihr nicht mit einer positiven Kraft entgegentrittst und deine Mahlzeit nicht frohen Herzens zu dir nimmst. Jede negative Kraft überträgt sich in unendlich feiner Schwingung auf die Speisen. Du nimmst sie auf und weißt nicht, warum du plötzlich krank oder verstimmt wirst. Denk an etwas Erfreuliches. So kannst du dein Mahl mit positiver Lebenskraft anreichern…«

Marie nickte und hockte sich mit dem duftenden Tee an den Esstisch. Sie wischte den Samtrock glatt und zupfte das fein gearbeitete Mieder zurecht, das hochgeschnürt und an den Kanten mit Perlen besetzt war. Das widerspenstige Haar hatte sie ordentlich unter eine Haube gesteckt. Trotzdem baumelte schon wieder eine herbstfarbene Locke über ihre Augenbraue.

»Was habt Ihr vor?«, fragte sie, während sie den heißen Tee schlürfte und von den süßen Trauben aß, die zwischen Äpfeln und duftenden Mandeln in einer Tonschale lagen.

»Wir werden Léonard Bandon aufsuchen«, sagte Nostradamus, während er am Fenster lehnte und in den trüben Himmel hochschaute. »Er hat eine eigene Apotheke und als einer der bedeutendsten Pharmakologen Frankreichs ist er sogar Hoflieferant des Königshauses.«

»Braucht Ihr neue Essenzen für Eure Forschungen?«, fragte Marie neugierig. Ihre Augen glänzten, während sie sich heimlich die Finger ableckte.

»Marie!« Er drehte sich verschwörerisch zu ihr um. »Niemand, aber auch niemand darf wissen, was ich für Studien betreibe! Hörst du? Du darfst nie wieder ein Wort darüber verlieren! Auch nicht jemandem, dem du von ganzem Herzen vertraust!«

Marie nickte aufgeregt.



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