Das Feuerfohlen by Christa Ludwig

Autor:Christa Ludwig [Ludwig, Christa]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Freies Geistesleben
veröffentlicht: 2010-10-04T22:00:00+00:00

Pferdepuzzle

Am nächsten Morgen erfuhr Jana, warum Andreas gerade ihr Fantasy als Reitbeteiligung angeboten hatte.

«Nein, sehe ich nicht ein!», hörte sie Bettinas etwas zu laute und schrille Stimme, bevor sie in die Stallgasse trat. «Es geht hier schließlich nicht um Hochleistungssport. So ein paar kleine Sprünge …»

«Das ist mein Pferd», unterbrach Andreas, «und wie viele Sprünge für mein Pferd richtig sind, entscheide ich.»

«Das entscheidest nicht du. Das entscheidet die Biologie und die Anatomie des Pferdes.»

«Treffer!», stimmte Andreas zu. «Und die Anatomie des Pferdes hat sich vor ungefähr 20 Millionen Jahren gegen das Springen entschieden. Wenn du bedenkst, dass ein Pferd nach dem Sprung sein ganzes Gewicht und das des Reiters mit einem Vorderbein …»

«Das weiß ich seit ungefähr 20 Millionen Jahren! Nur weil du zu feige zum Springen bist, soll Jana …»

«Bettina! Mach dich nicht lächerlich. Ich bin schließlich auch Drachenflieger. So hoch springst du nicht mal mit Arkansas. Mein letztes Wort: Jana darf Fantasy über kleine Hindernisse reiten, aber keine Springturniere. Ich habe ihr das Pferd gegeben, weil sie ziemlich gut reitet, aber keinen Turnierehrgeiz hat.»

Es war Jana klar, dass sie nicht hätte lauschen dürfen. Sie ging noch einmal ein Stück zurück und kam dann mit lauten Schritten in die Stallgasse getrampelt.

«Hi!», rief sie. «Hallo, Andreas, was machst du hier am frühen Morgen?»

«Rena kommt auch», antwortete Andreas, «sie hat einen Sattel für Sham, hat sie von einer Freundin erst mal zur Probe. Wir wollen rüberreiten zu den Defoes und ihn David zeigen. Kommst du mit?»

«Ich – nein – äh – ich wollte eine Stunde Dressur reiten.»

«Du willst nicht zu deinem David?», fragte Bettina verwundert. «Du willst wirklich mal wieder richtig reiten? Und ich dachte, der Cowboy rast seinen Slalom in deinem Kopf und trampelt jede Erinnerung an richtiges Reiten ins Präriegras.»

Slalom, so fühlte sich das für Jana an und nicht nur im Kopf.

«Ihr müsst nicht zur 3D-Ranch reiten», sagte sie und dachte: Besser, ich gebe das gleich zu. «David kommt her. Um zehn wollte er hier sein. Und vom Rappenhof reiten auch welche zu uns.»

«David kommt her?», fragte Anne, die eine Mistkarre in die Stallgasse schob.

«Will er jetzt euch allen beibringen, wie man mit einer Hand die Zügel über den Hals zieht?», lästerte Bettina weiter.

«Er erzählt uns eine Geschichte aus Wyoming», erklärte Jana. «Von seinem Fohlen. Das hat er verloren.»

«Ich würde ihm kein Wort glauben», zweifelte Bettina. «Der hat noch nie was verloren. Der weiß gar nicht, was verlieren ist.»

Jana ging an ihr vorbei und in die Sattelkammer. Sie hängte sich Fantasys Halfter über die Schulter, und als sie sich über den Futtereimer beugte und nach den Leckerli suchte, stand Bettina hinter ihr.

«Du», keifte sie, «glaub bloß nicht, dass dieses Westernreiten eine anständige Reitweise ist, nur weil die alle die Zügel so nett und locker durchhängen lassen. Diese Spins und diese Wahnsinnswendungen und diese Stops – hast du eine Ahnung, wie das die Gelenke kaputt macht? Und dein David …»

Jana richtete sich auf. Die Hände voller Apfelleckerli schaute sie Bettina direkt in die Augen und sagte etwas, das sie weder ihrer Mutter noch Alberta und erst recht nicht Theres gestanden hätte.

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