Das Energiedilemma - Warum wir ueber Atomkraft neu nachdenken muessen by Jeanne Rubner

Das Energiedilemma - Warum wir ueber Atomkraft neu nachdenken muessen by Jeanne Rubner

Autor:Jeanne Rubner
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: PeP eBooks


Ich war nicht in der Lage gewesen, die ersten drei Fragen zu beantworten, die während der Morgenvisite gestellt wurden - über die Symptome der Patientin, ihre Krankengeschichte und über die bevorstehenden Untersuchungen. Stattdessen gaben meine Kollegen von allen Seiten ihr kluges Urteil ab und entschuldigten sich nicht einmal mit verstohlenen Blicken für ihren Beitrag zu meiner endgültigen Versetzung auf die Eselsbank. Die Einzige, die Mitleid mit mir zu haben schien, war die - schmerzgeplagte - Patientin. Es handelte sich um eine Studentin mit Blinddarmentzündung. Das sollte sich jedoch erst später herausstellen, da die Diagnose durch das ungewöhnlich bewegliche Caecum erschwert wurde. Noch vor einer Woche hätte ich die Notoperation mitverfolgen dürfen, das übeltäterische Organ womöglich selbst abschnippeln oder die Patientin wieder zunähen dürfen. Heute wurde ich nicht einmal aufgefordert, mich für den OP fertig zu machen.

Es war ein veritabler Härtetest: Wie lange würde ich meinen Kopf hoch tragen können, angesichts der Kampagne zur Befreiung der Chirurgie von Alice Thrift? Das sind die Momente, in denen die wahre Heldin die Zähne zusammenbeißt und ungeahnte Kräfte in sich entdeckt. Unerschrockenheit, Scharfblick, Ehrgeiz. Da schüttelt sie die Faust und - begleitet vom Gepiepse des Piepsers und vom Geschnauze des gottgleichen Vorgesetzten - gelobt, sich zu bessern und all ihren Verleumdern und Peinigern eine Lehre zu erteilen.

Nicht so Alice Thrift. Ich hatte meinen Charakter irgendwo in diesem Krankenhaus verloren, wo ihn gewisse Vorgesetzte unter ihren Absätzen zerrieben und mit dem Orkan ihrer Tobsuchtsanfälle in alle Himmelsrichtungen zerstreut hatten. Alles, was ich brauchte, war ein Mensch, ein einziger Mensch, der zu mir sagte: »Es ist keine Frage der Fähigkeit, der natürlichen Begabung, des Intellekts, der Hände oder einer Gottesgabe. Es ist einzig und allein Übungs- und Vertrauenssache. Nächstes Mal machst du’s richtig. Und wenn’s nicht der nächste Fall oder die nächste Naht ist, dann die übernächste. Hat dir das noch niemand gesagt? - ›Anderen zuschauen. Selber machen. Anderen beibringen.‹ Medizinischer Leitspruch? Untertitel der Chirurgie?«

Wenn ich zurückblicke, frage ich mich, wie mir dieser Aphorismus entgehen konnte. Vielleicht war das etwas, das eine Generation von Krankenhausärzten nach Dienstschluss an die nachfolgende weitergab, bei Pizza und Bier, an Orten, zu denen ich keinen Zutritt hatte. Als Ray Russo nämlich mit seinem »Übung macht den Meister« daherkam, ignorierte ich diesen Rat als naiven Gemeinplatz eines Menschen, dessen Wohl und Wehe von den Verkaufszahlen seiner Schokoladeprodukte abhing - nicht von der Last der Verantwortung für Leben und Tod.



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