Das Ende der Welt (German Edition) by Höra Daniel

Das Ende der Welt (German Edition) by Höra Daniel

Autor:Höra, Daniel [Höra, Daniel]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: bloomoon
veröffentlicht: 2013-05-02T22:00:00+00:00


28

Wir beschlossen, uns zu der alten Grenzstadt Bremen durchzuschlagen. In der Nähe gab es ein Flüchtlingslager, und dort würden wir Schlepper finden, die uns zu den Inseln bringen könnten.

Nachdem wir eine Weile durch den morastigen Wald geirrt waren, hatte ich den Eindruck, dass wir im Kreis gelaufen waren. Ich hatte mich an den Wolken orientiert, aber immer wieder versperrte das dichte Blätterdach mir die Sicht. Leela trottete hinter mir her. Sie wirkte traurig und nachdenklich.

»Und jetzt?«, fragte sie, als ich ratlos stehen blieb. »Hast du die Orientierung verloren? Das scheint ja eine Regel in deinem Leben zu werden.«

»Wie meinst du das?«, wollte ich wissen, worauf sie mir keine Antwort gab. Doch mittlerweile hatte ich gelernt, dass alle ihre Äußerungen einen Hintergedanken hatten.

»Traust du mir nicht?«, fragte ich.

»Warum sollte ich nicht«, gab sie schnippisch zurück. »Das ist doch eine bestens organisierte Entführung.«

Wenn sie in dieser Stimmung war, war es sinnlos, mit ihr zu reden. Ich zog meinen Gürtel aus der Schlaufe, fummelte den Dorn raus und feilte ihn mit einem Stein spitz. Anschließend suchte ich eine Pfütze, fettete den Dorn mit meinem Ohrenschmalz ein und legte ihn behutsam aufs Wasser. Vorher hatte ich ihn an Leelas Haaren gerieben und damit magnetisiert. Worauf sie gesagt hatte: »Oh, ihr habt bei der Armee Zaubern gelernt. Musst du auch noch um ein Feuer tanzen oder ein Tier opfern?«

Ich beachtete sie nicht weiter und beobachtete stattdessen den Dorn, der sich allmählich auf Norden und Süden einpendelte.

»Das funktioniert ja tatsächlich«, sagte Leela. »Da haben sie dir bei der Armee wirklich mal etwas Sinnvolles beigebracht.«

Leela konnte es nicht zugeben, unrecht zu haben, und wenn, dann musste sie es mit ihrem Spott zukleistern, so dass es nicht wirklich als Entschuldigung taugte. Ich sah sie verärgert an.

»Schon gut, schon gut«, meinte sie. »Ich sage nichts mehr.«

Nachdem wir eine Weile weitermarschiert waren, legten wir eine Rast ein. Weil unsere Kleider durch den ständigen Nieselregen sowieso nass waren, streckten wir uns einfach auf dem feuchten Boden aus. Leela sah in den Himmel, sah zu mir, sah wieder in den Himmel und wieder zu mir.

»Ist was?«, wollte ich wissen.

»Du dampfst«, sagte sie und zeigte auf meine Brust, von der eine feine Nebelsäule aufstieg.

»Weil ich schwitze und die Luft kalt ist«, sagte ich.

»Du siehst aus wie der Nebelgott«, rief Leela lachend.

Ich bewarf sie mit Kastanien, worauf sie sich mit einer Fuhre Laub rächte, die in meinem Mund landete. Spuckend stürzte ich mich auf sie, aber sie war schneller. Wir jagten uns dabei um die Bäume, bis wir lachend zu Boden fielen. Plötzlich und ohne dass ich darüber nachdachte, strich ich Leela eine widerspenstige Strähne aus der Stirn. Sie sah mich überrascht an. »Und jetzt?«, fragte sie leise.

Ich sah auf meine Hand, als würde dort die Antwort stehen.

»Wir müssen los«, sagte ich verwirrt und stand auf. »Je schneller wir vorwärtskommen, desto besser.«

»Gut«, sagte Leela nur. Wir sahen uns nicht an, als wir wortlos weitermarschierten. Was war das eben, grübelte ich und konnte mir das Gefühl in meinem Bauch nicht erklären. Es war angenehm, aber auch fremd.



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