Das Ende der Geschichten (German Edition) by Scarlett Thomas

Das Ende der Geschichten (German Edition) by Scarlett Thomas

Autor:Scarlett Thomas [Thomas, Scarlett]
Die sprache: deu
Format: mobi
Tags: Roman
ISBN: 9783644446113
Herausgeber: Rowohlt (com)
veröffentlicht: 2011-06-30T22:00:00+00:00


Ich konnte nicht fassen, dass ich Rowan tatsächlich von dem Buch über übersinnliche Phänomene erzählt hatte. Hinten standen Übungen drin, die ich als Kind ausprobiert hatte, und obwohl ich mich dunkel erinnerte, dass Rosa einmal schwer beeindruckt gewesen war, als ich ein Pendel in einem Glas durch reine Konzentration in Bewegung setzte, fürchtete ich doch, dass Rowan mich für völlig bescheuert halten würde, wenn er davon erfuhr. Einmal hatten Rosa und ich einen verregneten Samstagnachmittag damit zugebracht, Karten mit Abbildungen von Symbolen anzufertigen, und dann hatten wir abwechselnd versucht zu erraten, welches Symbol die andere sich gerade ansah. Außerdem übten wir Fernwahrnehmung. Oft gingen wir in den Park, wo wir uns gegenseitig die Augen verbanden und den telepathischen Anweisungen der anderen folgten, um an eine bestimmte markierte Stelle zu gelangen. Ich erinnerte mich, dass wir recht spektakuläre Ergebnisse erzielt hatten – zumindest glaubten wir das damals.

Wenn wir zwischendurch in meinem Zimmer saßen, Limonade tranken und Kekse aßen, führten wir köstliche, halb geflüsterte Gespräche über Rosas Poltergeist. Anscheinend tat er niemandem etwas, brachte nur jede Nacht das Haus in Unordnung. Rosas Eltern wollten einen Exorzisten hinzuziehen, und ich musste ihr schwören, meinen Eltern nichts davon zu erzählen. Ihr Vater war offenbar der Ansicht, mein Vater würde das nicht gutheißen. Natürlich fand mein Vater es trotzdem heraus, vermutlich über Caleb. Er reagierte ganz und gar nicht ablehnend, zumindest nicht direkt. Seiner Meinung nach war der Poltergeist der kollektiven Einbildung der Coopers entsprungen, und wenn sie glaubten, einen Exorzisten zu brauchen, um ihn wieder aus ihren Köpfen zu entfernen, dann war das sicher genau das Richtige. Meine Mutter erkundigte sich, wie etwas Eingebildetes denn Bücher aus dem Regal werfen und durch den Raum fliegen lassen sollte, und mein Vater erwiderte nur, das passiere ja gar nicht. Meine Mutter sagte: «Aber wir hören es doch jede Nacht», und er entgegnete: «Wir wissen nicht, was wir da hören.» So wanderten meine Gedanken weiter, während ich die Lanes entlangfuhr. Mir begegneten keine anderen Autos, keine Menschen, keine Tiere. Ich dachte daran, wie wir einmal in den Ferien über ganz ähnliche Straßen gefahren waren, und plötzlich hatte mein Vater angehalten, die Scheinwerfer ausgeschaltet und uns alle aufgefordert, in die Dunkelheit hinauszuschauen. «Ich wette, solche Dunkelheit habt ihr noch nie gesehen», hatte er gesagt. Dann waren wir ausgestiegen und hatten zu den Sternen hinaufgeschaut, und mein Vater hatte die Hände in die Taschen geschoben, sich weit zurückgelehnt und erklärt: «So ist es also, auf einem Planeten zu leben!»

Ich hatte seit über zehn Jahren nicht mehr mit meinem Vater gesprochen, wusste aber, dass er inzwischen einen Lehrstuhl an der Universität übernommen hatte. Als er mein ESP-Buch fand und meine Experimente entdeckte, war er längst nicht so böse geworden, wie ich befürchtet hatte. Stattdessen setzte er sich mit mir hin und zählte mir stundenlang, weit über die Schlafenszeit hinaus, sämtliche Gründe auf, warum es albern sei, an übersinnliche Phänomene zu glauben. Ich versuchte, ihn zu widerlegen. Ich erzählte ihm, dass man in China versuche, anhand der Vorahnungen von Tieren herauszufinden, wann ein Erdbeben drohte, und dass die Queen einen eigenen Homöopathen habe.



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