Das allerschlimmste Verbrechen in Wilsonstadt by Hvorecky Michal
Autor:Hvorecky, Michal [Hvorecky, Michal]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
ISBN: 9783608100648
Herausgeber: Tropen Verlag (Klett-Cotta)
veröffentlicht: 2016-06-15T00:00:00+00:00
VIII
Eine halbe Stunde später, um halb sieben am Abend, wurde das Schlossberg-Viertel von den herbeigerufenen Polizeieinheiten beherrscht.
Der Lärm in dem Areal, das auf der einen Seite vom mehr als hundert Meter hohen Burgberg und der Donau begrenzt war und auf der gegenüberliegenden Seite an der Pewthagasse endete, war verstummt. Doch nur scheinbar. Der Organismus der Stadt kam mit den drei unerklärlichen Ereignissen nicht klar. In solch einem Moment wurden die gesellschaftlichen Unterschiede weggewischt und die Einwohnerschaft des Viertels schloss sich zusammen. Über nichts sonst wurde gesprochen. In Dutzenden von Straßen unterhalb der Burg, in der Trokangasse, Petzlgasse, Brauneckergasse, Floriangasse und in anderen zogen sich mehrere Familien gemeinsam in die Häuser zurück und beteten. Der rätselhafte Fall brachte die Einwohner von Wilsonstadt und auch das Polizeikorps in arge Bedrängnis und führte dazu, dass sich unter den Leuten Panik ausbreitete.
Man begann mit Haussuchungen. Trupps von zehn Mann durchkämmten der Reihe nach alle Wohnungen. Sie bewachten das Tor und auch den Fluss. Sie klopften an allen Häusern an, und wenn man ihnen nicht öffnete, brachen sie die Türen mit Gewalt auf. Sie durchsuchten Schränke, schauten hinter Vorhängen und unter Betten nach, lasen Buchtitel und Autorennamen. Sie fahndeten nach Menschen, denen der linke Daumen fehlte und sie suchten Teufelsmale. Eins gelang ihnen: Sie lösten Schrecken aus. Mehrere Bürger meldeten Fälle von Plünderung.
Eine vierköpfige Verstärkung traf auch im Haus des Buchdruckers Lajzer ein. Food begann sofort nach ihrem Eintreffen mit den Verhören. Eisner stand an seiner Seite um ihm im Bedarfsfall zu assistieren. Die Polizei führte die Lajzers und die Prokops vor.
Der Detektiv hatte für die Anhörungen den Salon ausgewählt, wo er einen massiven Eichenholztisch nutzen konnte. Das Zimmer war mit unmöglichen Tapeten und entsetzlichen Stuckbändern geschmückt. Vom Widerschein der weit entfernten Beleuchtung wurde die Wand rötlich gefärbt. Um den Kamin herum war sie mit einer Holzvertäfelung bedeckt. Food verlangte, dass alle außer Eisner den Raum verließen. Dem jungen Kollegen gab er einen riesigen Fotoapparat in die Hand. Er befahl ihm die Beschuldigten, die Mitglieder der Familien, einzeln hereinzuschicken. »Denn diejenigen, die gemeinsames Blut verbindet, unterwirft sich der Teufel leichter als Fremde. Und dies ist höchstwahrscheinlich das Geschlecht der Sündigen«, erläuterte Food.
Als erster fand sich Lajzer ein. Er setzte sich auf einen Stuhl. Food zog aus einer Ledertasche ein schrecklich aussehendes, aus Stahl hergestelltes Gerät. Es maß ungefähr 25 Zentimeter. Der kunstvoll geschmiedete Metallgriff mit dem Monogramm AF war mit teuren Steinen besetzt. Das andere Ende lief in einer ungewöhnlich spitzen Nadel aus. Er drehte sich mit dem Rücken zu Lajzer und flüsterte Eisner ins Ohr: »Das, was du jetzt zu sehen bekommst, sind nicht gerade polizeiliche Standardmethoden. Aber das Ziel muss manchmal die Mittel rechtfertigen. Glaub mir, das ist die einzige Möglichkeit zu enthüllen, wie viele und was für Nekromanten beschworen worden sind und wo sie sich verbergen. Ich benutze Hexennadeln zum Auffinden von Teufelsmalen. Mit denen haben schon meine Vorgänger in Schottland Ende des siebzehnten Jahrhunderts erfolgreich ermittelt und dadurch sind sie zu ihrem Namen gekommen: Prickers. Schreib jeden Satz, den du hörst, genau mit! Ich möchte alle Aussagen protokolliert haben.
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