Das All und das Nichts: Von der Schönheit des Universums (German Edition) by Stefan Klein

Das All und das Nichts: Von der Schönheit des Universums (German Edition) by Stefan Klein

Autor:Stefan Klein [Klein, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3
ISBN: 9783104903378
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2017-10-25T22:00:00+00:00


Doch die eigentliche Überraschung war Abell 1689 selbst. Wie sich herausstellte, sind in dem Galaxienhaufen nämlich bei weitem nicht genug Sterne versammelt, um solch dramatische Effekte auszulösen. Und andere Massenansammlungen, die den Weltraum dermaßen verzerren könnten, sind weit und breit nicht zu erkennen. Aber unbestreitbar erscheint der Himmel, durch Abell 1689 gesehen, vergrößert und von Lichtringen übersät, wie sie nur von einer starken Verkrümmung des Raumes herrühren können. Was also könnte dafür verantwortlich sein?

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder die bekannten Gravitationsgesetze sind falsch. Die Schwerkraft wirkt auf große Entfernungen stärker als gedacht; Einstein und vor ihm Newton haben sich geirrt. Eine Minderheit unter den Astrophysikern glaubt dies tatsächlich. Mich allerdings konnten sie nicht überzeugen. Das Gravitationsgesetz hat sich unter allen anderen Umständen bestens bewährt. Wer es aufgeben will, sollte eine bessere Alternative anbieten können. Eine solche kennt niemand.

Und es existiert eine viel einfachere Möglichkeit, die starke Biegung des Lichts an Objekten wie Abell 1689 zu erklären: Das Gravitationsgesetz stimmt, doch Abell 1689 enthält viel mehr, als wir sehen. Die Sterne sind nur ein kleiner Teil der in diesem Galaxienhaufen zusammengeballten Massen. Dies nimmt die Mehrheit der Astrophysiker an, ich glaube es auch. Größtenteils muss demnach Abell 1689 aus Substanzen bestehen, die kein Licht von sich geben und auch sonst keine Strahlung aussenden – dunkle Materie.

Ihre Gravitation aber, die das Licht verbiegt, verrät die dunkle Materie. Aus der Stärke der kosmischen Lupe, der Gestalt der sonst unerklärlichen Lichtringe und den Geisterbildern lässt sich errechnen, wo sich die unsichtbare Masse verbirgt. Jede einzelne Galaxie im Haufen Abell 1689 ist demnach von einem Halo aus dunkler Materie umgeben, einer Art Wolke, die zehnmal, hundertmal, gelegentlich auch tausendmal schwerer wiegt als alle Sterne zusammen. Und schließlich steckt auch der ganze Galaxienhaufen in einem Halo aus dunkler Materie.

Dieser Wolke verdankt Abell 1689 seine Existenz. Ohne ihn hätte sich der Galaxienhaufen längst aufgelöst, wäre er vermutlich gar nicht entstanden. Die Galaxien, aus denen Abell 1689 besteht, bewegen sich nämlich zueinander so schnell, dass enorme Fliehkräfte wirken. Sie hätten sich längst in alle Richtungen des Weltraums verteilt, hielte sie nicht die Wolke der dunklen Materie mit ihrer Schwerkraft zusammen. Auch die Galaxie, die das Einsteinkreuz auf den Nachthimmel zeichnet, besteht zu neun Zehnteln aus dunkler Materie.

Und so verhält es sich überall im Universum. Nur weil die dunkle Materie die leuchtende Materie zusammenhält, gibt es überhaupt Strukturen im Weltraum. Die dunkle Materie ist kosmischer Kitt. Jede Galaxie, auch die unsere, wird von ihr umhüllt. Im Jahr 2014 schließlich entdeckten Astronomen die ersten dunklen Galaxien. So hat auch die Milchstraße einen dunklen Zwilling im All. Dieser treibt sich im Sternbild »Haar der Berenike« herum, ist eine Galaxie von den Dimensionen der unseren, die aber fast ausschließlich aus dunkler Materie besteht.

Die dunkle Materie erstreckt sich nicht nur in der Umgebung der leuchtenden Galaxien weit in den Weltraum hinaus, sondern bildet eigene Strukturen und erfüllt den intergalaktischen Raum. Wie Sahnekleckse auf einer riesigen Schokoladentorte, so scheinen die leuchtenden Objekte auf ihr zu sitzen. Ist alles, was wir am Himmel sehen, nur



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