Das 106. Stockwerk by Hubert Haensel

Das 106. Stockwerk by Hubert Haensel

Autor:Hubert Haensel [Haensel, Hubert ]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neuroversum, Perry Rhodan, Science Fiction
Herausgeber: Pabel-Moewig Verlag GmbH
veröffentlicht: 2012-11-09T01:00:00+00:00


5.

Nachtasyl.

Dort herrschte quirlige Geschäftigkeit rund um die Uhr. Ein Leben im Untergrund, dem gegenüber den frühen Jahren der Hauch des Verruchten abhandengekommen war.

Noch vor wenigen Jahrhunderten als Geheimtipp extrovertierter Kreise gehandelt, hatte sich dieser Bereich Sub-Terranias mittlerweile bei allen Bevölkerungsschichten etabliert. Nachtasyl war zum subplanetaren Vergnügungsviertel mutiert, in dem die Mieten trotz des enormen Zulaufs extrem preiswert geblieben waren. Vor allem junge Leute, Aussteiger und Künstler lebten dort, Menschen und Angehörige vieler galaktischer Völker, ein überbordendes Spektrum, das im Begriff war, seine eigene Kultur zu etablieren, in der sich vermischte, was vermischt werden konnte.

In diesem Bereich unter der Stadt hatten sich Menschen schon verkrochen, als die Terminale Kolonne TRAITOR in der Galaxis gewütet hatte; in den letzten Wochen hatten sich viele vor Sayporanern und Fagesy an diesen Ort geflüchtet, wohl wissend, dass die Drohung eines extremen Erdbebens im Großraum Terrania mit einem Schlag alles hätte auslöschen können.

Stimmen und schräger Instrumentenklang im Wettstreit, die Melange exotischer Aromen und die grellbunten Reflexionen einer Holoshow schlugen Reginald Bull und seiner kleinen Truppe entgegen, als sie den Bereich der Röhrenbahn verließen. Kaum jemand achtete auf sie, und wenn, zog der vermeintlich wracke, ausgeschlachtete Kampfroboter die meisten Blicke auf sich.

Vielfältige Attraktionen machten den Platz vor dem Bahnhof zum Labyrinth. Stroboskopartige Lichteffekte ließen zwei Topsider in einer bizarren Bewegungsfolge erscheinen. Tanzten sie oder kämpften sie? Balzten oder stritten sie? Hunderte von Zuschauern feuerten die beiden jedenfalls lautstark an.

Schwebekameras umwimmelten die Szenerie. Eine der Kameras bedrängte Bully, er wehrte sie mit dem Unterarm ab, als wolle er ein lästiges Insekt verscheuchen. Offenbar war er nicht identifiziert worden, denn die Kamera entfernte sich rasch.

Leccore führte die Gruppe mitten durch das Gedränge. Er blieb stehen, nachdem er den Platz überquert hatte.

»Vieles wurde umgestaltet, seit ich letztmals hier war«, sagte er verhalten. »Eigentlich wollte ich den kürzesten Weg gehen.«

»Das wäre nett«, murmelte Bull. »Wir driften zunehmend weiter vom Tower ab.«

»Jeder von uns wird sein Ziel erreichen, keine Sorge.«

Die Lichtfülle verblasste nun, die hohe Kuppeldecke wich rauen Felsmassen und einer unüberschaubaren Ansammlung dünner bleicher Stalaktiten. Wandernde Scheinwerferstrahlen brachen sich in mächtigen Kristalladern.

Beifall brandete auf, zögernd erst, dann lauter. Eine Lautsprecherstimme, hastig und schrill, verkündete, dass diese Deckeninstallation in die engere Bewertung käme.

Leccore ging weiter. Entlang der Peripherie der Halle erstreckten sich Zugänge zu mehreren Etagen. Antigravschächte, Gleitrampen und Treppen verbanden die Ebenen.

Leccore wählte ein Laufband, das nach wenigen hundert Metern in einen gläsernen Tunnel tauchte. Sanft geschwungen überspannte die Röhre einen künstlichen See, in dem sich eine sinkende Kunstsonne spiegelte.

»Denkt hier keiner darüber nach, was mit Terra eigentlich los ist?« Odo Ollowa räusperte sich. »Herrschen hier lediglich Ignoranz und Vergnügungssucht, während andere ihr Leben einsetzen?«

»Viele sind hier, um zu vergessen«, sagte Bully.

»Das würde ich auch gern«, protestierte Ollowa. »Vergessen. Mich ablenken. Und danach ist das Leben wieder normal.«

»Wie viele leben in Nachtasyl?«, wollte Veriaso wissen.

»Vor der Versetzung waren es um die zwanzigtausend«, antwortete Bull. »Nicht einmal ein Viertel Promille der Bevölkerung ...«

»Bully hat recht«, wandte Shanda Sarmotte ein. »Ich spüre unterschwellig Furcht. Die meisten wollen sich wirklich nur ablenken. Sie haben Angst vor der eigenen Schwäche und Hilflosigkeit.



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