Darüber reden by Julian Barnes

Darüber reden by Julian Barnes

Autor:Julian Barnes [Barnes, Julian]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-30757-3
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2015-07-20T00:00:00+00:00


Gillian Heute hat er mich angefasst. O Gott, sag nicht, es hat angefangen. Hat es angefangen?

Ich meine, wir haben uns auch früher schon angefasst. Ich hab seinen Arm genommen, ihm das Haar gezaust, wir haben uns umarmt, auf die Wange geküsst, so das Übliche unter Freunden. Und dies heute war weniger, weniger als das alles, und doch viel mehr.

Ich war an meiner Staffelei. Meine Haare sind aufgegangen. Ich hab mit der Hand nach dem Kamm gegriffen, den ich auf meinem Schemel habe.

»Nicht bewegen«, hat er gesagt, ganz leise.

Ich hab weitergearbeitet. Ich hab gespürt, wie er rüberkam. Er hat mir die Spange aus dem Haar genommen, das Haar ist lose heruntergefallen, er hat es mir hinter das Ohr zurückgekämmt, die Spange wieder hingeschoben, zugeknipst, den Kamm auf den Schemel zurückgelegt und sich wieder hingesetzt. Nur das, nicht mehr.

Glücklicherweise hatte ich gerade eine unkomplizierte Stelle in Arbeit. Ich hab einfach ein, zwei Minuten automatisch weitergemacht. Dann hat er gesagt: »Ich liebe diesen Kamm.«

Es ist unfair. Vergleiche sind unfair, ich weiß. Ich sollte sie nicht anstellen. Ich hab an diesen Kamm da noch nie einen Gedanken verschwendet. Ich hab ihn immer benutzt. Eines Tages, kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten, war Stuart in meinem Atelier und hat ihn gesehen. Er hat gesagt: »Dein Kamm ist kaputt.« Ein paar Tage später hat er mir einen neuen geschenkt. Er hatte sich offenbar ziemliche Mühe gemacht, denn der Kamm hatte die gleiche Größe wie der alte und war auch aus Schildpatt. Aber benutzt hab ich ihn nicht. Ich hab den alten behalten. Es ist, als wären meine Finger daran gewöhnt, nach diesen fehlenden Zähnchen zu fühlen, und wüssten, wo sie sind.

Jetzt sagt Oliver einfach: »Ich liebe diesen Kamm«, und ich komme mir ganz verloren vor. Verloren und wiedergefunden.

Es ist nicht fair Stuart gegenüber. Ich sage mir: »Es ist nicht fair Stuart gegenüber«, aber die Worte haben anscheinend nicht die geringste Wirkung.



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