Dann bin ich seelenruhig - mein Leben als Ritzerin by Angela S

Dann bin ich seelenruhig - mein Leben als Ritzerin by Angela S

Autor:Angela S. [S., Angela]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Jugendroman
Herausgeber: Arena
veröffentlicht: 2014-04-28T22:00:00+00:00


10. Kapitel:

Psychiatrie, 27. April 2010

Deine Augen blicken den Wolken hinterher

Sie blicken so trostlos, so leer

Der Schmerz drückt dich mit aller Kraft gegen die Wand

Keinen Hauch von Freiheit lässt er dir

Dein Körper wehrt sich

Wehrt sich gegen das Schicksal deiner Seele

Doch irgendwann lässt deine Kraft nach

Du fällst zurück gegen die Wand und der Schmerz erdrückt

dich weiter

Du schnappst nach Luft

Flehst um Liebe und Freiheit

Doch niemand hört es

Keiner

Denn du hast deine ganze Kraft im Kampf mit dem Tod

deiner Seele verbraucht

Du gibst auf

Lässt dich und deine Seele im Scherbenhaufen liegen

Blutest

Weinst rote Tränen

Und wofür?

Weil du aufgehört hast, an dich zu glauben

Weil du aufgehört hast, dich gegen dein Schicksal zu

wehren

dich gegen das zu wehren, was dich erdrückt.

Gedicht von Angela

Ich fand ja schon meinen ersten Psychiatrieaufenthalt nicht schön. Der zweite ist noch schlimmer! Vor allem, weil ich gegen meinen Willen hierbleiben muss. Noch dazu weiß ich nicht mal, für wie lange. Wenn ich Dr. Schaller frage, heißt es nur: »Mal abwarten, wie es Ihnen geht.« Heute ist schon der vierte Tag hier und für mich ist es bislang der schlimmste: Durch diesen ätzenden Klinikaufenthalt kann ich ein vereinbartes Bewerbungsgespräch nicht wahrnehmen. Heute hätte ich eins in einer kleineren Klinik ganz in der Nähe. Rein theoretisch würde ich es sogar noch ohne Probleme pünktlich mit dem Bus dorthin schaffen.

Offiziell darf ich das Klinikgelände allerdings nicht verlassen. In den umliegenden Wald gehe ich zwar schon. Aber richtig abzuhauen – für mehrere Stunden –, das traue ich mich nicht, also werde ich den Termin gleich absagen.

Ich rede mir ein, dass ich mit meiner Störung bestimmt eh nicht als Krankenschwester arbeiten dürfte und dass es deshalb egal ist, ob ich zum Gespräch gehe oder nicht. Schließlich will sicher keine Klinik eine psychisch gestörte Schwesternschülerin haben. Doch andererseits frage ich mich: Muss ich das den Leuten unbedingt auf die Nase binden? Gehört das nicht vielleicht zur Privatsphäre?

Ich wünsche mir doch so sehr, später einmal als Bezugspflegeschwester zu arbeiten! Und ich wäre eine gute Krankenschwester! Bestimmt! Aber das werde ich möglicherweise nie feststellen, da ich hier festsitze und nicht zu meinen Gesprächen komme.

Kurz denke ich darüber nach zu fragen, ob ich ausnahmsweise einen Außentermin wahrnehmen dürfte – immerhin geht es um meine Zukunft. Aber dann verwerfe ich die Idee. Wenn ich mir jetzt vorstelle, in schicke Kleidung zu schlüpfen und meine Augen mit schwarzem Kajal zu umranden, merke ich doch: Ich fühle mich nicht stark genug, um mich Wildfremden positiv, optimistisch und freundlich zu präsentieren. Mir ist eher nach Einigeln. Noch dazu leuchtet jedem meine neue Verletzung an der Hand entgegen. Ich strecke meine Hand von mir weg und betrachte die etwa Fünf-Cent-Stück-große, leuchtend lilarote Stelle zwischen Zeigefinger und Daumen. Sie fällt viel stärker auf als ein Schnitt. Blöd! Noch dazu tut so eine Verbrennung auch viel mehr weh! Von einem Schnitt spüre ich schon nach wenigen Stunden kaum mehr was – diese Verbrennung stört bei jeder Handbewegung.

Da meine Stimmung allmählich in den Keller rutscht, überlege ich, womit ich mich ablenken könnte. Meine beiden Mitbewohnerinnen nehmen gerade an einem Kochkurs teil, aber darauf habe ich keine Lust.



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