Countdown by Martin Cruz Smith

Countdown by Martin Cruz Smith

Autor:Martin Cruz Smith [Smith, Martin Cruz]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-07-10T16:00:00+00:00


Harry fand Kato in den Folies, wo er sich zusammen mit dem Direktor vom Balkon aus eine Schlussnummer mit dem Titel »Die lustige Geige« ansah. Der Direktor trug einen speckigen Strohhut und bleckte kichernd seine vom Tee und Zigaretten gelben, vorstehenden Zähne. Sie hatten sich vom ersten Tag, an dem Harry in die Garderobe gestolpert war, nicht verstanden. Auf der Bühne spielte ein Musikkomiker den »Hummelflug«, hatte aber mit einem gummiartigen Geigenbogen und einem lächerlich überlangen Frack zu kämpfen, der um seine Füße schlackerte. Der Bogen verfing sich in den Saiten, flog wie ein Pfeil von der Bühne und wurde von Oharu zurückgebracht, die ein knappes Trikot und Netzstrümpfe trug. Sie überreichte dem Musiker den schlaffen Bogen, und als er nachsah, wie sie von der Bühne ging, wurde der Bogen steif. Der Direktor brüllte vor Lachen wie ein Esel.

»Wie ich höre«, sagte Kato zu Harry, »hat Gen den Druck für dich bei dem Kunden abgeliefert. Hatte ich dir nicht gesagt, dass nur du ihn nehmen darfst?«

»Es ist ja nichts passiert. Gen gefällt ihm anscheinend besser als ich.«

»Kein Wunder. Gen ist ein viel hübscherer Junge als du. Du bist ein Bastard, und Gen ist der Idealtyp.«

Oharu hatte den Komiker in Wallung gebracht. Er fasste in seinen Geigenkasten, zog einen Fächer hervor und fächelte sich kühle Luft zu. Doch das genügte nicht. Er brachte einen elektrischen Ventilator mit einem langen Kabel zum Vorschein und bat einen Musiker im Orchestergraben, es anzuschließen. Er kühlte sich von oben bis unten, dann den Bogen.

»Erzähl mir genau, was geschehen ist«, sagte Kato.

Harry schilderte die Szene im Haus des Kunden. Unterdessen begann der Komiker auf der Bühne wieder, den »Hummelflug« zu spielen, bemerkte aber ein vorbeifliegendes Stück Papier und spießte es beim Spielen mit dem Bogen auf. Das Papier war klebrig. Es heftete an seinem Bogen, seinem Schuh, seiner Hand, schließlich an seiner Stirn, und während er geigte, versuchte er, es von seinen Augen zu blasen. Die Zuschauer um Harry herum mussten so laut lachen, dass sie sich Taschentücher vor den Mund hielten.

»Eine erstklassige Nummer«, stellte der Direktor fest.

»Hat er Gen eine weiße Chrysantheme gegeben?«, fragte Kato.

»Ein Geschenk.«

»Und der Kunde, Harry? Sag, hat er sich vorgestellt?«

»Nein.«

»Dann will ich dir sagen, wie er heißt. Seine Name ist Ishigami. Leutnant Ishigami ist ein aufstrebender Mann bei der Armee. Er ist der uneheliche Sohn eines Prinzen, niemand weiß genau, von welchem, und deshalb genießt er die Protektion des Hofs und bezieht vom Kaiserhaus ein Gehalt. Er hätte ins Bankgeschäft einsteigen oder Gedichte schreiben können, aber er entschied sich für die Armee. Er meldete sich zur Kwantung-Armee, weil er dort garantiert von Banditen, Russen oder Chinesen unter Beschuss genommen werden würde. Er hat seine Sache so gut gemacht, dass seine Bewunderer ihn mit einem Samurai vergleichen. Jetzt wirst du vielleicht fragen, weshalb er sich dann hier in Tokio aufhält. Weil er in Ungnade gefallen ist, Harry. Ein Untersuchungsausschuss ermittelt gegen ihn, weil er einem Kreis von jungen Offizieren angehören soll, der gegen die Zivilregierung hetzt. Ishigami sagte, seine Loyalität gelte dem Kaiser, nicht den Politikern.



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