Coelestina by Rudolf G. Binding

Coelestina by Rudolf G. Binding

Autor:Rudolf G. Binding [Binding, Rudolf G.]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-04-14T00:00:00+00:00


Von Stund an war das ganze Leben Annelieses, alle ihre Gedanken, ihr Sehnen und ihre Träume auf den Tod gerichtet. An der Schönheit dieser Welt ging sie wie an etwas Unnützem vorüber und eine Freude verachtete sie wie einen Umweg der sie von ihrem Ziel abführte. Obwohl ihr der Tod ein leises geheimnisvolles Grauen einflösste, so sehnte sie ihn doch herbei wie einen unumgänglichen Schmerz, den man je eher je leichter erträgt. Und ihr Verlangen zu sterben war bald so gross dass sie darüber nachsann, wie sie den Tod näher zu sich heranzwingen oder ihn finden könne, wenn er sie nicht finde. Nicht dass sie jemals daran dachte von sich aus das Leben wegzuwerfen; denn sie wusste dass dies ebenso verächtlich sei wie Brot in den Staub der Strasse zu treten. Aber sie wusste auch dass es Helden gab, die ihren Tod in der Schlacht suchten, und mutige Männer, die ihr Leben für das anderer oder für ein grosses Ziel aufs Spiel setzten, und ihr eigenes Ziel dünkte ihr mindestens so gross als irgendeines auf Erden. So begann sie nach einiger Zeit, wo immer im Dorfe ein Schwerkranker an einer ansteckenden todbringenden Krankheit darniederlag, in dem Hause allerhand Hilfeleistungen zu verrichten und, soweit ihr das in ihrem jugendlichen Alter erlaubt wurde, in der Heilanstalt auf der Höhe, wo die vielen hoffnungslosen Lungenkranken gepflegt wurden, zu kleinen Handreichungen ab und zu zu gehen; und da den Kranken ihre geräuschlose sanfte Gegenwart angenehm war und sie häufig zu bleiben gebeten wurde, so war sie oft viele Stunden des Tages mit ihrer Hilfe um sie am Orte des Todes und der Gefahr.

Unter solchen Gewohnheiten war Anneliese siebzehn Jahre alt geworden und ein zwar zartgliedriges und feines aber früh entwickeltes und widerstandsfähiges Mädchen. Da genügten ihr die unregelmässigen und unvollkommenen Versuche dem Tode zu begegnen nicht mehr, sondern sie bat den alten Bauern, welcher sie seither wie eine Pflegetochter gehalten hatte, um die Erlaubnis in die grosse Stadt gehen zu dürfen, damit sie dort die Kunst und die Pflicht einer Krankenpflegerin von Grund auf lernen könne die sie hier nur planlos und ungenügend auszuführen in der Lage sei. Der Alte wollte sie erst nicht ziehen lassen, da ihm ihre häuslichen Dienste zustatten kamen, und meinte, es sei nützlicher und wichtiger seiner Frau im Hause beizuspringen, die schon zu alt geworden sei um alles ohne Hilfe zu verrichten. Die Bäuerin aber, welche die Worte durch die offene Küchentüre gehört hatte, verbat sich mit Nachdruck, das heisst mit schreiender Stimme, dass man sie zum alten Eisen werfe und unterstützte schon in gekränkter Frauenehre und zur Bekräftigung dass sie sich auch allein helfen könne den Wunsch Annelieses, womit derselbe denn auch erfüllt war. An einem der nächsten Tage verliess sie das stille Dorf, die guten Leute, den kleinen ihr lieb gewordenen Rasenplatz wo ihr die Mutter Gottes erschienen, und ihre Hühner und Gänse, denen es keinen Eindruck machte dass sie fürderhin der Hut eines Engels entbehren sollten unter der sie bisher gestanden.

In dem grossen Krankenhause der Stadt



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