Chuzpe by Andreas Pittler

Chuzpe by Andreas Pittler

Autor:Andreas Pittler [Pittler, Andreas]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub, azw3
Tags: Krimi
Herausgeber: E-Book
veröffentlicht: 2009-12-31T23:00:00+00:00


IV.

Sonntag, 10. November 1918

Bronstein saß zerschlagen an Jelkas Tisch und schlürfte den Tee in kleinen Schlucken. Er hatte Kopfweh und das Gefühl, Zahnschmerzen zu haben. Und dennoch wurde er das breite Grinsen in seinem Gesicht nicht los. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt eine derart erfüllte Nacht erlebt hatte. Beinahe bis zum Morgengrauen hatten sie sich geliebt. Immer und immer wieder, hatten nicht loslassen können, hatten einander ein ums andere Mal gesucht. Kaum war der eine Orkan über sie hinweggebraust, baute sich schon der nächste in ihnen auf, der sich alsbald Bahn brach. Für Bronstein hatte diese magische Nacht das Ende einer fünfjährigen Irrfahrt durch die Wüsteneien der Einsamkeit bedeutet, und wenn er an Marie Caroline zurückdachte, so musste er diesen Gedanken sogleich korrigieren: Diese Nacht hatte das Ende einer ewigen Irrfahrt bedeutet. Niemals zuvor hatte er etwas Derartiges erlebt, war er mit einer Frau so eins gewesen wie mit Jelka, die, da Bronstein seinen Tee trank, noch eingerollt wie ein Kätzchen in ihrem Bett lag und fest schlief. Bronstein hatte sich stets, wenn die Verzweiflung über sein Alleinsein überhand genommen zu haben schien, gesagt, er warte doch nur auf die Richtige, und so ertappte er sich nun bei der Frage, ob Jelka die Richtige sein mochte.

Sie war unaussprechlich klug, sie war berückend schön, sie hatte jede Menge Humor, und sie war offensichtlich eine Kanone im Bett, die ihn, Bronstein, in allen Belangen zu Höchstleistungen anspornte. Wer, wenn nicht sie, konnte also die Richtige sein? Dennoch, so spann Bronstein seinen Gedanken weiter, mochte es vielleicht zu früh sein, einen Verlobungsring in Auftrag zu geben. Diese Kommunisten waren, man wusste es, Freigeister. Sie hielten nichts von der bürgerlichen Familie, und es hieß, sie praktizierten die freie Liebe, was nichts anderes bedeutete als jeder mit jedem, wann immer einem der Sinn danach stand. Wer vermochte also zu sagen, ob Jelka nicht einfach nur einer Stimmung nachgegeben hatte? Vielleicht schlief sie morgen schon mit einem anderen? Möglicherweise hatte sie sogar einen anderen, den sie in dieser Nacht mit ihm betrogen hatte. Vielleicht gab es irgendwo einen Berufsrevolutionär, der gerade in geheimer Mission unterwegs war, um an irgendeinem Ort der Welt die Revolution auszulösen, und Jelka war es einfach nur leid gewesen, ewig auf ihn zu warten. Doch wie auch immer die Dinge stehen mochten, für ihn stand fest, Jelka war die Frau seiner Träume. Mit ihr wollte er alt werden! Mit ihr oder mit keiner.

Die Turmuhr der Karmeliterkirche schlug neunmal. Bronstein trat ans Fenster und sah auf den Platz hinab, der völlig verlassen dalag. Niemand wagte sich unter solchen Wetterbedingungen auf die Straße. Feiner Schneeregen fiel herab, dazu blies ein harter Wind, der an den Fenstern rüttelte. Der Major verstand, warum Bären Winterschlaf hielten.

Hinter ihm schien in Jelka Bewegung zu kommen. Er drehte sich zu ihr um. Sie rieb ihre Augen und richtete sich langsam auf. Ihre betörenden Brüste wurden sichtbar und erweckten in Bronstein umgehend das Bedürfnis, erneut in Jelkas Arme zu sinken. „Guten Morgen, du Schöne“, sagte er sanft.

„Morgen“, antwortete sie und gähnte gleich danach herzhaft.



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