Bunker diary - Roman by dtv

Bunker diary - Roman by dtv

Autor:dtv
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2014-04-01T16:00:00+00:00


Frage: Wieso schlottern Kreuzottern?

Antwort: Weil die Nattern knattern.

Ich erinnere mich an Dads Mund, sein Lächeln, seine geraden weißen Zähne. Seinen borstigen Schnauzbart. Und ich sitze hier unter der Hecke, reibe mit der Handfläche mein Knie und singe mir leise ein Lied vor: »Blindschleiche, du, Blindschleiche, du, ruckedigu, ruckedigu …« – schaukle vor und zurück wie ein Betender – »was weißt denn du, Blindschleiche, du, ruckedigu, hab dich im … NU!«

Und bei dem Wort NU! fasse ich nach einer der Blindschleichen, doch ich bin nicht schnell genug.

Ich war nie schnell genug.

Das Einzige, was ich je erwischt habe, war eine Handvoll Erde und Blätter.

08.00 Uhr: Das Licht geht an und meine Erinnerungen verschwinden. Ich stehe auf und ziehe meine zerlumpten Sachen an. Weites T-Shirt, gefüttertes Hemd, Kapuze, Schlabberhose, die von Tag zu Tag schlabberiger wird. Hi-Tec-Boots. Ich gehe ins Bad, wasche mich, putze die Zähne, streife das Laken über den Kopf und benutze das Klo. Ich gehe zurück auf den Flur, nicke Anja, die mir entgegenkommt, ein wortloses Guten Morgen zu und verschwinde in der Küche. Mache Kaffee. Setze mich hin. Warte, dass der Aufzug kommt.

08.45 Uhr: Jenny kommt rein. Sie hat eine Art Ausschlag am Bein oder eher so was wie kleine Bisse. Ich versuche mir zu merken, dass ich Zitronen auf die heutige Einkaufsliste setzen muss. Denn ich glaube mich zu erinnern, dass Zitronensaft gut gegen Flohstiche ist.

08.55 Uhr: Fred kommt hereinspaziert – mit nacktem Oberkörper – und kratzt sich den Bauch. Er sagt nicht viel, wuschelt Jenny durchs Haar. Ich erkläre ihm, dass ich ihn nachher sprechen will. Er sagt okay, macht sich einen Becher Kaffee und geht zurück in sein Zimmer.

09.00 Uhr: Der Aufzug kommt runter. Essen, Saft, Obst, Milch. Jenny hilft mir, alles wegzupacken.

09.30 Uhr: Heute ist Bird fürs Frühstück zuständig, doch er vergisst es. Jenny macht Toast. Wir essen zusammen. Ich koche ein bisschen Kaffee und trage ihn zu Russell ins Zimmer. Ich will mit ihm reden, aber sein Kopf schmerzt, deshalb lasse ich Russell allein und gehe zurück in die Küche.

Der Rest des Tages zieht sich. Die Uhr ist auf langsam gestellt. Ich rede mit Fred, schaue nach Russell, helfe Jenny beim Saubermachen. Ich lege mich aufs Bett und denke wieder ein bisschen an den Garten. Ich erinnere mich daran, was ich anhatte, meine hellblauen Shorts, mein braun gestreiftes T-Shirt, meine Sandalen. Ich erinnere mich an einen Bambusstab und eine Flasche O-Saft, die ich in meinen schmutzigen Händen halte, und ich erinnere mich an meine Tagträume. Meine Fantasien. Der Garten ist Afrika, Amerika, eine endlose Ebene aus ungeschnittenem Gras mit Kaninchenohren und struppigen roten Rosen. Ich erinnere mich, wie ich einen Rosendorn abreiße, anlecke und mir auf die Nase klebe, um mich in ein Rhinozeros zu verwandeln. Dann, während ich mir Nashörner und Löwen vorstelle, schlage ich mit meinem Bambusstab nach einem großen roten Ball, treffe ihn nicht und der Dorn fällt ab. Ich trete gegen den Ball, er segelt im hohen Bogen in ein Beet mit leuchtend roten Fackellilien und knickt einen blühenden Stängel um.



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