Brennende Seelen by Günter Krieger

Brennende Seelen by Günter Krieger

Autor:Günter Krieger [Krieger, Günter]
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Rhein-Mosel-Verlag
veröffentlicht: 2015-05-12T16:00:00+00:00


6.

Am Nachmittag zog ein heftiger Sturm auf.

Der stets mürrische Kapitän schickte die Passagiere unter Deck, und einige der Jungfrauen glaubten, ihr letztes Stündchen sei gekommen. Allein Ursulas unerschütterliche Gelassenheit vermochte die Verängstigten zu beruhigen. Die Christen unter ihnen folgten dem Beispiel der Fürstentochter und sprachen stille Gebete. Und während die tosende See das Schiff zu zerschmettern drohte, wuchs in manchen die Überzeugung, dass Gott sie nicht untergehen lassen würde, denn die Aufgabe, die er Ursula auferlegt hatte, war noch nicht erfüllt.

Als am nächsten Morgen die Sonne aufging, hatte der Sturm sich gelegt. Die See war ruhig und nur noch ein laues Lüftchen kräuselte die Wellen. Der Kapitän und seine Männer waren erschöpft, denn die ganze Nacht hindurch hatten sie gegen die Naturgewalt angekämpft. Die Passagiere hatten den finsteren Bauch der Galeere nun verlassen; Erleichterung zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab. Ursula sprach dem Kapitän ihren Dank aus, ein unwirsches Brummen war die Antwort. Seinen Männern rief er einige Anweisungen zu, dann verschwand er unter Deck.

»Nicht gerade freundlich, dieser Kerl«, meinte Rico und fingerte an seinem Schleier, denn die Angst, ein plötzlicher Windstoß könne sein wohl gehütetes Geheimnis lüften, war schließlich nicht unbegründet.

Sledda teilte die Ansicht der vermeintlichen Jungfrau. »Wenn er nicht bald lernt, wie man sich gegenüber einer Fürstentochter und ihrer Begleitung verhält, dann werde ich es ihm beibringen müssen.«

»Lasst ihn«, entgegnete Ursula. »Er hat nicht um diesen Auftrag gebeten, sondern mein Vater hat ihn dazu überredet. Unsertwillen nimmt er große Gefahren auf sich.«

Ursulas Erklärung überzeugte Rico keineswegs. »Dein Vater hat ihn mehr als fürstlich entlohnt, da kann man doch erwarten, dass er uns, und vor allem dich, ordentlich behandelt.«

Eine Weile war nur das Plätschern des Wassers zu hören, das die rhythmisch eintauchenden Ruder verursachten. Unbehaglich nahm Rico wahr, dass alle ihn anstarrten.

»Was gibt es da zu glotzen?«, wollte er wissen.

Godwa trat näher an ihn heran und musterte ihn argwöhnisch. »Für eine Fremde, die sich uns erst im letzten Augenblick angeschlossen hat, bist du verdächtig gut unterrichtet, Ricarda.«

»Wie meinst du das?«

»Woher, zum Beispiel, weißt du von der guten Entlohnung der Seeleute durch Ursulas Vater?«

»Das hat sich herumgesprochen.«

»Ach, wirklich?«

Ursula trat zwischen die beiden und hob begütigend die Hände. »Wir wollen nicht streiten, meine Lieben. Unsere Kräfte brauchen wir für den langen Weg, der noch vor uns liegt.«

Godwa sah sie herausfordernd an. »Findest du das Verhalten dieser Person etwa nicht merkwürdig?«

»Ricarda möchte nichts weiter, als sich unserer Pilgerfahrt anschließen. Warum sollte ich ihr diesen Wunsch verwehren?«

»Du glaubst ihr?«

»Habe ich einen Grund, ihr zu misstrauen?«

»Niemand weiß, wer diese verschleierte Frau wirklich ist und woher sie kommt.« Ihrer Stimme einen spöttischen Klang verleihend, setzte sie hinzu: »Vielleicht hat sie es ja auf dein Leben abgesehen.«

Rico hatte das dringende Bedürfnis, über Bord zu springen. »Ricarda!«, hörte er Ursulas forschende Stimme. »Hast du die Wahrheit gesprochen, als du dich unserer Gemeinschaft angeschlossen hast?«

»N... natürlich, Herrin.«

»Gut. Ich glaube dir.« Sie wandte sich an die Umstehenden. »Ricarda ist eine Pilgerin wie wir. Ich möchte, dass man sie künftig in Frieden lässt.«

Godwa lachte verächtlich auf, bevor sie ihnen den Rücken kehrte und davonschritt.



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