Blitz ohne Donner by Christa Ludwig

Blitz ohne Donner by Christa Ludwig

Autor:Christa Ludwig [Ludwig, Christa]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-25T04:00:00+00:00


«Oliver», sagte Maria. – «Ja – Oliver», sagte Andreas.

Da waren die Pakete geöffnet, aber nur ganz kurz. Sehr bald schon schnappten Sophias Hände zurück und Andreas’ Hände zurück, sie packten sich ein, sie schnürten sich zu, jeder für sich, der andere blieb draußen.

«Weißt du», sagte Andreas, «Stefan hat immer gewusst, was drin war in dem Sophia-Paket. Das find ich wirklich toll an ihm. Er muss es gewusst haben. Nur weil sie einigermaßen hübsch ist, kann er sie doch nicht so geliebt haben.»

«Die Schallplatte», sagte Maria, «wie sah die aus? Wir haben viele alte Schallplatten und jede Menge Bach. Was war da drauf?»

Andreas dachte nach.

«Leute – eine ganze Menge Leute mit weißen Perücken und ein Hund, ein kleiner weißer Hund mit braunen Ohren. Der sitzt und guckt in eine Trompete.»

«Komisch», murmelte Maria, «aber … ja … das ist gut. Ich glaube nicht, dass es viele Bachplatten gibt mit Hunden, die in Trompeten gucken. Wenn wir sie haben, finde ich sie. Kommst du zu uns? Jetzt gleich? Vielleicht schläft Johannes so lange. Er soll es nicht merken. Sonst versucht er, sich zu erinnern, und das klappt nie. Wenn ich will, dass mir eine Melodie einfällt, die gerade weg ist, krieg ich sie nie.»

«Das geht sowieso nicht», sagte Andreas.

«Dir ist doch vorhin das Lied auch wieder eingefallen, das deine Mutter gesungen hat.»

«Ja, aber ich war zwei Jahre alt, als ich es hörte. Und ich habe immer gehört. Ich weiß, was Hören ist. Johannes hat das vergessen, glaube ich. Er war noch kein Jahr alt, als er so krank wurde.»

«Wie …?», Maria verstand ihn nicht. «Wie … was meinst … er war noch kein Jahr … und wieso war er krank?»

«Hirnhautentzündung», sagte Andreas.

«Er hatte die Nabelschnur um den Hals», sagte Maria. «Bei der Geburt.»

«Natürlich.» Andreas nickte. «Sophia ist durchgedreht. Sie hat geglaubt, er wäre behindert. War aber nichts.»

Maria zitterte.

«Er war nicht von Anfang an taub? Nicht von Geburt an?»

«Natürlich nicht. Er fing schon an zu sprechen.»

In Maria polterten zwei Gedanken durcheinander.

Ein Jahr, dachte sie, fast ein Jahr.

Und:

Warum macht Sophia das?

Fast ein Jahr konnte Johannes hören. Plus drei Monate Oliver, das muss doch reichen; aber warum verschweigt Sophia das, warum hat sie es nicht erzählt?

«Was war mit der Schallplatte?», fragte sie. «Ich meine, nach Johannes’ Geburt?»

«Weg», sagte Andreas. «Ich hab sie nie mehr gesehen. Sophia war durchgedreht. Total. Die hat keine Musik mehr gehört.»

«Das hat nur Oliver», murmelte Maria, «nur Oliver …»

Sie stand auf.

«Hilfst du mir die Schallplatte suchen?», fragte sie.

«Jetzt nicht», sagte Andreas. «Du wolltest meine Geschichte hören. Du wolltest wissen, warum es ein Glück für uns ist, dass Johannes taub ist.»

«Später», Maria ging zur Tür, «erst lass uns die Schallplatte suchen. Schnell. Vielleicht schläft er so lange.»

Aber vor der Tür stand Johannes.



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