Berlin WW by Erdmann Graeser

Berlin WW by Erdmann Graeser

Autor:Erdmann Graeser
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: SAGA Egmont
veröffentlicht: 2016-06-05T00:00:00+00:00


Onkel Augusts Veilchenparfüm

„Bleib du man janz ruhig sitzen und laß mir die Honneurs machen“ — hatte Onkel Karl zu Frau Lemke gesagt.

Und dann hatte er sich an der Überraschung seiner Bekannten geweidet, die entstanden war, als sich der für den Abend gemietete Lohndiener, ein schwarzbefracktes, weißbehandschuhtes, trotzdem aber etwas miekrig aussehendes Individuum mit einem großen Tablett durch die Türöffnung kämpfte und den Gästen Tee, Kaviarbrötchen und Biskuits herumzureichen begann.

Onkel Karl hatte dieses schwarzbefrackte Individuum in Verdacht, daß es ihm hier bei Lemkes nicht fein genug zugehe. Nun lief er von Gruppe zu Gruppe hinter ihm her und kontrollierte es.

„Langen Se man feste zu, Herr N. N.“ — sagte er jetzt zu dem jungen, eleganten Mann, der es bisher nicht für notwendig gefunden hatte, von Onkels Existenz überhaupt Notiz zu nehmen.

„de Pikato“ — sagte der elegante Herr, mit einer knappen Verbeugung sich vorstellend.

„Uljuska pupolska“, sagte Onkel Karl, der nicht begriffen, daß ihm der Herr eben seinen Namen genannt, sondern glaubte, eine Mitteilung in fremder Sprache erhalten zu haben. So beantwortete er sie ebenfalls fremdsprachlich, in der Hoffnung, daß jener ihn ebensowenig verstehen werde.

Aber der Herr zuckte die Achseln und wandte sich ab.

„Denn nich“ — sagte Onkel, und dann dirigierte er das befrackte Individuum zu Herrn Bartusch. „Langen Se man feste zu, det hilft jejen det Bauchquurksen“ — sagte er — als er in diesem Augenblick ein kollerndes, unterirdisches Geräusch bei jenem hörte. Und zu den anderen Mitgliedern des Vereins ,Blaue Kaffeetiete’, die sich etwas verdächtig rasch über das Tablett hermachten, sagte er ermahnend: „Nu laßt man noch wat druff, ihr kricht ja noch nachher or’ntlich drieben bei mir — wartet’s doch ab!“

Bei Miß Thomson, die in der Nähe von Frau Lemke saß und sich zu deren Erstaunen mit Hans Zillmann sehr lebhaft in englischer Sprache unterhielt, packte Onkel Karl den Frackträger am Schwalbenschwanz: „Hierjeblieben, lassen Se mal die Mißtreß sich wat Scheenet aussuchen. Wie wär’t mit det kleene Jriene hier, det is sicherlich inwendig jefüllt — nehmen Se man, nehmen Se, nur nich so etepetete, det kann ick nich leiden!“

Und dann legte er ihr freigebig noch ein paar andere Süßigkeiten auf die Untertasse, wischte sich die Hände an seinem Taschentuch ab und sagte: „Wenn det Dreckzeich bloß nich so klebrich wäre!“

Während er so vollauf beschäftigt schien, glitt sein Blick aber unausgesetzt zwischen der jungen Frau Zillmann und Herrn de Pikato hin und her, fand aber nichts, was sein Mißtrauen gegen beide verstärken konnte. Sie hielten sich voneinander entfernt, schienen sich nicht zu kennen. Und doch war Onkel überzeugt, daß dieses Zusammentreffen hier nicht zufällig war.

Tante Liese, die bisher steif und vornehm dagesessen, schnellte plötzlich von ihrem Stuhl auf und kam hastig und sehr erregt auf Karl zu: „Nu wiste wieda abschwenken mit deen’n Obakellner, statt mal bei mir zu kommen und die Damen wat zuerst anzubieten!“

„Hier — hier — hier“ — sagte Onkel, packte das Tablett und hielt es ihr hin — „nimm dir die janze Schohse und stopp dir voll! Aba von wejen, dett dir uff een’n Schuhrfix zu benehmen weeßt, is keene Rede nich.



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