Aus Indien by Hesse Hermann

Aus Indien by Hesse Hermann

Autor:Hesse, Hermann [Hesse, Hermann]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2015-06-07T16:00:00+00:00


Meisterwerke orientalischer Literaturen

Unsere Kenntnis des Orients ist im wesentlichen noch eine recht äußerliche, eine geographische und politische, und sie hat viele Lücken, die sich jedem schmerzlich zeigen, der einmal versucht, auf Reisen oder durch Vermittlung von Büchern etwas Tieferes über das Wesen der östlichen Kulturen zu erfahren. Neuerdings ist wieder ein intensives Bedürfnis nach tieferem Eindringen zu spüren; die Kunst Ostasiens, und etwas später auch die vorderasiatische, begann in Europa stark zu wirken, und neuestens sehen wir auch Teile der asiatischen Literaturen erschlossen, die unser Denken beeinflussen und zumindest für die psychologische und politische Erkenntnis des Ostens unendlich wichtig geworden sind. Für das indische Denken war Deutschland durch Schopenhauer vorbereitet, erst etwas später begann ein allgemeineres Interesse für die Denker Chinas zu erwachen (hier sind die Übersetzungen chinesischer Autoren im Verlag Eugen Diederichs mit Auszeichnung zu nennen). Darüber war die Teilnahme für die Literatur des Islams einigermaßen eingeschlafen; außer dem etwas plötzlich von England her in Mode gekommenen Omar Chajam hat in den letzten zehn, ja zwanzig Jahren kaum ein vorderasiatischer Dichter bei uns viele Leser gefunden. Auch das wird anders werden, je mehr wir erkennen, daß auch ein politisches Verstehen der asiatischen Völker durchaus auf der Kenntnis ihrer Denkrichtungen und Literaturen aufbauen muß.

So ist nun eine neue Sammlung: Meisterwerke orientalischer Literaturen höchst willkommen, die im Verlag von Georg Müller in München zu erscheinen beginnt. Drei Bände liegen fertig vor und seien hier kurz betrachtet.

Der erste Band enthält Georg Rosens Übersetzung einer Auswahl aus dem Mesnevi des Scheich Mewlana Dschelal ed din Rumi, einem Buch, das seit seinem ersten Erscheinen im Jahr 1849 selten geworden und fast ganz verschollen war. Die Neuausgabe hat Rosens Sohn Friedrich besorgt, mit wenigen Änderungen, und er hat dem Buch ein ganz vortreffliches Vorwort mitgegeben, das Muster einer populären Darstellung schwer zugänglicher Gegenstände. In dem Mesnevi, das aus dem 13. Jahrhundert stammt und zu den klassischen Werken der persischen Dichtung gehört, lernen wir eine höchst eindringliche Lebensäußerung der mystischen Gedankenwelt des Sufismus kennen. Dem indischen Geist verwandt und von ihm beeinflußt, aber durch die gemeinsamen Quellen der griechischen Philosophie und der Bibel uns näherstehend, sucht diese persisch-islamitische Lehre das Heil in der reinen Meditation und hat eine Art von Nirwana zum Ziel, ein »Sterben vor dem Sterben«, ein seliges Eingehen in den Urgrund der Dinge, in welchem die Schuld und Qual des Werdens überwunden ist. Indessen ist mit einer solchen Erklärung wenig gesagt, und wie sehr der persische Dichter trotz dieser nahen Anlehnung an indische Lehren originell und unindisch ist, kann nur die Lektüre selbst zeigen. Aus dem Koran und der Bibel her ist seine Lehre mit einem höchst prächtig-anschaulichen Apparat von Bildern und mythologischen Elementen versehen, und die bildlose Erkenntnis des Höchsten führt durch eine reiche, poetisch-menschliche Bilderwelt. So atmet denn durch das Ganze eine schöne, verständliche, gleichnisreiche Frömmigkeit, welcher die Welt zwar nichts Endgültiges, wohl aber ein bedeutungsvolles Bilderbuch bedeutet, und die im ganzen verleugnete Sinnenwelt kommt im einzelnen vollauf zu ihrem poetischen Rechte. Rosens Übersetzung ist, wie alle seine herrlichen Arbeiten, bei allem Streben nach Genauigkeit voll Geschmack und Frische.



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