Aufstand der Maenner by Johannes Tralow

Aufstand der Maenner by Johannes Tralow

Autor:Johannes Tralow [Tralow, Johannes]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-02-01T23:00:00+00:00


19

»Tritt beiseite, Lustknabe meiner Mutter«, sagte Adna, »siehst du nicht, daß ich mit meinen Mädchen die Treppe hinab will? Ich wünsche nicht, daß eine von ihnen dich berühre.«

»Achte den Namen unserer Herrin, wenn schon nicht den meinen.«

Auge in Auge standen sich Adna und Garp gegenüber. Der Ausdruck einer gemachten Verachtung im Gesicht des Mädchens wich allmählich dem einer ehrlichen Trauer.

»Den Namen deiner Herrin, meinst du«, sagte sie. »Oh, Garparuda, wer bist du?«

»Ich suche mich, Enkelin der Belit.«

»Dann finde dich schnell und habe acht auf dich. Sie verschlingt die Männer, deren sie sich bedient.«

Lange blickte Garp der Warnerin nach, ehe er sich wandte und die Treppe hinanschritt.

Daß Sipha sich ihn unter den Knabenopfern erwählt hatte, war nicht schändlich, sondern eher ein Beweis ihrer guten mütterlichen Gesinnung. Schade war nur, daß sie ihn behalten hatte.

So wäre es ein Beweis großer Sittenlosigkeit gewesen, hätte ein uneröffnetes Mädchen sich einen Mann zur Ehe beigesellt. Ein Priester, ein Fremder, in jedem Falle aber ein anderer Mann hatte der künftigen Gattin als erster beizuwohnen,

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um dann nach der Hochzeit reich beschenkt und bedankt zu verschwinden. Nie jedoch durfte die Frau sich diesem Manne wieder nähern - gerade diesem einen nicht — oder er sich ihr. Ein schweres Verbrechen wäre das gewesen; denn der Fremde hatte den Göttinsohn vertreten.

Ein Jüngling freilich war von weit geringerer Bedeutung als ein Mädchen, und ihm gegenüber war schon mehr erlaubt. Eine Opferpriesterin jedoch, die einen geweihten Jüngling, nachdem sie ihn genossen, auch weiterhin als ihren Geliebten behielt, verging sich gegen ihr heiliges Amt. Und gerade das hatte Sipha getan. Zwar gab es Lieder, die eine solche Liebe verklärten, doch alle endeten sie mit Tod oder Trennung und mit Buße für begangene Schuld.

Soweit Belits Tochter lieben konnte, liebte sie Garp. Aber es war die Liebe einer Tigerin zu ihrer Beute, eine um so kostbarere Beute, als sich Garp ihren Fängen schon entrissen hatte und sie ihn wider Erwarten zuletzt doch noch bekam. Garps hohe Gestalt, seine breite Brust, seine harten Muskelstränge und vor allem sein langes Widerstreben hatten Sipha das schier unwiderstehliche Verlangen eingeflößt, ihn zu unterjochen. In Garps Fall konnte sie sich auch noch darauf berufen, daß sie seine Mutter sei und unveräußerliche Rechte in Anspruch nehme. Das war es gewesen, was Belit, die ihre Tochter nur zu gut kannte, auf dem Schiff mit ihrer Warnung vor dem Mißbrauch dieser Rechte gemeint hatte. Aber in der Brunst war alles vergessen worden. Hemmungslos hatte Sipha geherrscht und ebenso hemmungslos Garp ihr gehorcht. Um Zärtlichkeit zu genießen, mußte Sipha sich im völligen Besitz des Wesens fühlen, das sie ihr entgegenzubringen hatte, und nur wenn sie Zwang ausübte, fühlte sie sich im Besitz. Ihre Zofen und Liebhaber wußten darum.

Alles Gezeugte mußte sterben - Zeugung und Tod sind Geschwister. Sipha suchte die Wollust in der Nähe des Todes, und es ging das Gerücht um, daß Fremde, denen keiner nachfragte, schon in ihren Gemächern verschwunden und nie mehr zum Vorschein gekommen seien.

Wie aber hätte Garp allen Tücken und Künsten, deren Meisterin Sipha war, widerstehen können? Gerade seine

Unberührtheit hatte ihn wehrlos gemacht, seinen Verstand und jeden eigenen Willen unter sich begraben.



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