Anna zu Pferde by Kruse Max

Anna zu Pferde by Kruse Max

Autor:Kruse, Max [Kruse, Max]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


11.

Ihre Gedanken kreisten nur um den Sieg. Es mußte gelingen, sie durfte Jasmin nicht verlieren. Ihr Herz hing an dem Tier. Gewiß hätte sie auch mit einem anderen Pferd weiterreiten können, aber es wäre ihr vorgekommen, als ob dann schon von vornherein alles umsonst gewesen wäre. Jasmin war mehr als irgendein Pferd, sie war Annas Freundin, sie war ein Teil von ihr. Annas Stirn lag fast auf dem Pferdehals.

Es sah so aus, als ob Hartmut seinen Hektor ununterbrochen antrieb, daß er ihn peitschte, daß er ihm die Absätze in die Weichen stieß, wieder und immer wieder. Aber gleichzeitig zog er die Zügel ein wenig an, unmerklich für alle anderen. Und da spürte es Anna — ja, sie spürte es mehr, als daß sie es deutlich sah: Hektor fiel ein wenig zurück. Es war nicht viel, aber es war fühlbar. Seine Bewegungen wurden eine Spur langsamer. Jasmin holte Abstand auf, nun lagen sie auf gleicher Höhe. Jasmin schob sich noch ein wenig weiter vor, sie streckte den Hals noch mehr, sie hob das Maul empor, nun ließ sie einen kurzen triumphierenden Laut hören. Es war nicht richtig ein Wiehern, es kam aus der Tiefe der Pferdekehle, und Anna hörte es genau — besonders in ihrem Herzen.

Sicher hörte es nur Anna — denn die Soldaten schrien. Sie rissen die Arme empor, schwenkten die Hände, ballten sie zu Fäusten. Sie grölten und brüllten.

Beide Pferde überschritten die Ziellinie. Und Jasmins schaumiges Maul, ihr edler Kopf, die vorgeschleuderten Hufe waren ein wenig früher dagewesen als die von Hektor. Anna zügelte ihre Stute ganz leicht. Es war vorbei. Jasmins Flanken flogen, auf ihrem Fell zeigten sich Streifen von Schweiß. Schaum flockte vom Gebiß. Anna klopfte ihr den Hals, strich ihr über die Mähne, wieder und wieder. „Danke, danke, Jasmin!“

Die Stute stand jetzt still. Erschöpft ließ sie den Kopf hängen, atmete keuchend. Anna stieg ab. Sie strich den Schweiß von Jasmins weichen Nüstern, die Lippen der Stute schnoberten über ihre Finger. Langsam erholte sich das Pferd, atmete wieder ruhiger. Sie kaute auf dem Gebiß und schnaubte heftig.

Der Major war zu ihnen getreten. „Alle Achtung“, sagte er. „Das hätte ich niemals gedacht. Ja, wenn ich das vorausgesehen hätte, dann hätte ich mich wohl gehütet, diese Abmachung mit dir zu treffen, Junge. Ich war sicher, der Sieg würde Hektor gehören, und damit wäre deine Stute nun mein. Aber du kennst den Major Egon von Holstenburg schlecht, wenn du fürchtest, daß er sein einmal gegebenes Wort bricht. Dein Pferd gehörte dir, als du herkamst, und es gehört noch dir, wenn du uns wieder verläßt. Bedanke dich bei dem da...“ Der rundliche Mann, der rot angelaufen war, weil er sich beim Schreien verausgabt hatte, deutete auf Hartmut. Er knurrte: „Er ist ein schlechter Reiter, ein miserabler Reiter! Dieser Lümmel läßt es zu, daß unser Hektor von einer dahergelaufenen Stute besiegt wird. Nun, er bekommt seine Strafe: drei Tage lang Wasser und Brot!“

Es war aber nicht so, daß der Major nun wirklich zornig gewesen wäre. Er hatte seinen Spaß an dem Rennen gehabt, seine Leute ihre Abwechslung.



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