Anker geschlippt by Friedrich von Dincklage

Anker geschlippt by Friedrich von Dincklage

Autor:Friedrich von Dincklage [Dincklage, Friedrich von]
Format: epub
Tags: Novelle
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2009-11-12T22:00:00+00:00


* * *

Die ersten Strahlen der Morgensonne fielen über die zackigen Profile des Lumpabatang und beleuchteten die weißen Segel, die sich wie auf Zauberwort über die Masten und Rahen der deutschen Kriegsschiffe gebreitet hatten. Eine frische Brise aus Südost füllte die mächtigen Flächen, und langsam zuerst, dann immer rascher, teilte der scharfe Bug die glitzernde See. Die weißen, runden Wolken, abwechselnd von Steuerbord und Backbord über die Flut fortgleitend, verkündeten unter lautem Donner dem Bruderstamme auf Makassar den Scheidegruß. Und dort am befreundeten gastlichen Strand zögerte man nicht, diesen Gruß zu erwidern. Ein langer Zug von bepackten Maultieren, durch Soldaten geleitet, eilte eben die Hauptstraße hinab, marschierte am Strande auf, in wenigen Minuten war die Last vom Rücken der Tiere genommen und zu einer stattlichen Gebirgsbatterie zusammengesetzt. Schuß für Schuß verkündeten die Geschütze dann der deutschen Kriegsflagge die Achtung der niederländischen Nation.

Was von dieser Nation in Makassai lebte, war heute am Strande oder war hinausgefahren bis auf den Ankerplatz, den Scheidenden noch ein »Auf Wiedersehen!« zuzurufen.

Weitab von der Menge standen zwei Mädchen, Arm in Arm. Sie trugen das einfache, faltenlose, weiße Gewand der Europäerinnen in Makassar. Beide hatten den Blick auf die Schiffe gerichtet, welche langsam dem Horizonte zuzogen, nach Westen.

»Martha, hast du ihn denn lieb?« fragte plötzlich die Jüngere, als sie Tränen in deren Augen glänzen sah, »sag, warum –«

Sie schwieg plötzlich fast erschrocken vor dem schmerzvollen Ausdrucke, den ihre Worte in der Schwester Antlitz hervorriefen.

»Schwester, Martha, sag, liebst du ihn?« fragte sie dann in ihrer kindlich natürlichen Weise. »O, gewiß, er liebt dich auch, ich habe es wohl erkannt, und er wird wiederkommen, sei nicht traurig, Martha, er ist gewiß ein guter Mensch und wird dich glücklich machen!«

Sie hatte das immer rascher gesprochen und sah jetzt Martha innig fragend an.

Ein unbewußtes Empfinden lehrte sie wohl in diesem Augenblicke, jenes alles überwältigende Gefühl in der Schwester Brust zu durchschauen, dessen Wunder das eigene Kindesherz noch nicht berührt hatten. Wie früh versteht solch ein Mädchenherz!

Als dann die weichen Linien aus Marthas Antlitz verschwanden, als die Tränen plötzlich versiegt schienen und die Augen einen ernsten, entschlossenen Ausdruck annahmen, dann glaubte Eva dennoch die Schwester nicht verstanden zu haben.

»Du hast ihn nicht lieb?« fragte sie fast verwundert.

Martha schien zu sinnen, dann antwortete sie mit festem Tone:

»Ich darf und werde niemand lieben auf dieser Welt außer dir, meine Eva, nur dein Glück soll künftig und für immer das meine ausmachen.«

»Aber, Martha, wenn –«

»Frage mich nicht, Eva, du glaubst doch an meine Liebe zu dir?«

Eine stürmische Umarmung war die Antwort. – – –

Die Sonne war schon hoch über den Bergen emporgestiegen, in weiter Ferne verschwanden die deutschen Kreuzer. Fast menschenleer war schon der Strand.

»Komm, laß uns gehen, Eva,« mahnte jetzt Martha, »die Eltern werden uns längst erwarten.«

»Weißt du,« meinte Eva während des Rückweges, »eigentlich war doch Schaum ein zu netter Mensch, und ich bin ihm gar nicht böse über seine Neckereien, – schade, daß er fort ist.«



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