Angriff der Killerfotzen (German Edition) by Thomas Reich

Angriff der Killerfotzen (German Edition) by Thomas Reich

Autor:Thomas Reich [Reich, Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-12-28T05:00:00+00:00


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Traditionell wurde das Familienleben in Kleinstädten großgeschrieben. An Thanksgiving schnitt der Familienvater den Truthahn an. Der Gattin stand die Brust zu, die Flügel gingen an die Kinder. Garniert wurde alles mit einer gehörigen Portion Süßkartoffelauflauf. Zum Unabhängigkeitstag am vierten Juli kauften Kinder auf dem Schwarzmarkt Kracher, die ihnen die Hand abrissen. Im städtischen Krankenhaus passten sie formschöne Prothesen an, die auf die deformierten Stummel gesteckt wurden. Für alles gab es eine christliche Lösung. Auch für junge Mädchen, die über die Strenge schlugen. Gott verzieh jeden Fehler, sofern man zur Beichte ging und aufrichtig bereute. Jedes Kind war gottgewollt. Manchmal verbrachte ein junges Mädchen mehrere Wochen bei Verwandten in New Hampshire. Und kam sonderbar geheilt zurück, den Wanst bereinigt von der Schuld. Was Gott nicht korrigierte, behob der Mensch. All diese Werte waren nun in Gefahr.

„Mum? Dad?“

Kevin Sparks war alleine aufgewacht. Kein Wecker der klingelte. Keine Mum, die ihn von der wohligen Bettwärme befreite. Er würde zu spät zur Schule kommen! Ruckartig richtete er sich auf, schlüpfte im Eiltempo in die Klamotten, die seine Mum ihm abends noch bereitgelegt hatte. Zu seiner Überraschung fand er den Küchentisch leer. Kevin war als verhätscheltes Einzelkind daran gewöhnt, eine dampfende Schüssel mit gezuckerten Cerealien vorzufinden. Wo Milch zu Kakao wurde, und an den Zähnen schmerzte. Dazu ein Glas frisch gepressten Orangensaft, und belgische Waffeln mit Cranberrymarmelade. Ein reichhaltiges Frühstück war der perfekte Start in den Tag, zumindest im Haus der Familie Spark. Sonntags gab es noch Spiegeleier und dicke Baconscheiben dazu. Danach fuhren sie alle zusammen mit Dads Cadillac zur Kirche. Vollgefressen wie eine Bettwanze, döste er für gewöhnlich bei den ersten Worten der Predigt. Kevin führte ein glückliches und behütetes Leben. Bis zu dem Morgen, als er sein Elternhaus verlassen vorfand. Plötzlich schien die Sorge um den Tadel seiner Klassenlehrerin fürs Zuspätkommen unbedeutend. Irgend etwas stimmte hier nicht. Wo waren alle hingegangen? Warum hatte ihn niemand geweckt? Kevin suchte das ganze Haus nach ihnen ab. Mit jedem Zimmer stieg seine Nervosität.

„Mum?“

Die Bettdecken waren sauber zusammengelegt. Auch der Luft mangelten jegliche Reste von Nachtschweiß. Nichts deutete darauf hin, dass seine Eltern hier schliefen. Und doch hatte er sie gestern Abend zu Bett gehen sehen. Auf der Frisierkommode seiner Mum lag eine durchsichtige Hülle, ihr altes Gesicht. Das sie abgeworfen hatte, wie eine Eidechse ihren Schwanz.

„Alter, ist das krank!“

Drei Tage wartete er vergeblich auf ihre Rückkehr. Die Lebensmittel hätten wesentlich länger vorgehalten. Doch Kevin war es leid, mit den Wänden zu sprechen. Er packte zusammen, und kam bei Verwandten unter. Damit gehörte er noch zu den privilegierten Kindern. Mit dem Einmarsch der Vulvianer brachen feste Familiengebilde auseinander wie fragile Eierschalen. Mütter blieben aus, um das Abendessen zu kochen. Väter verließen ihre Familien, und kehrten nicht wieder. Zurück blieben die Kinder, allein und ohne Führung. Sie lernten, sich selbst zu organisieren. Kochten die Mahlzeiten, und fanden den Weg in die Schule. Noch. Bald streunten elternlose Kinder durch die Gassen. Es wurden immer mehr von ihnen.



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