Am Himmel wie auf Erden by Werner Bergengruen
Autor:Werner Bergengruen [Bergengruen, Werner]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-12-06T16:00:00+00:00
Der Gefangene und der Vogelfreie
Am Vorabend des Zusammenseins beim Erzbischof hatte Ellnhofen am Heimgeleit der Gäste teilgenommen. Während der geschäftige Erzbischof sich trotz der späten Stunde in seine Kanzlei begab und einem Domherrn den Auftrag erteilte, seinen Schreiber aus dem Bette zu holen, war Ellnhofen der Aufforderung Diepenbrocks gefolgt, bei ihm einzutreten und zum Abschluà ein Glas Gewürzwein mit ihm zu trinken. Sie saÃen in freundschaftlichem Geplauder noch ein Stündchen beisammen. Diepenbrock berichtete in seiner klaren, bedächtigen Art von den Kämpfen, die der Erzbischof mit dem eifersüchtigen Deutschen Orden, aber auch mit den Bestrebungen der kirchlichen Neuerer zu bestehen hatte. Sie tauschten Jagderlebnisse und SpäÃe aus und lachten, wie es junge Männer miteinander tun. Und im Hintergrunde all dieser Harmlosigkeit spürte Ellnhofen wie eine abenteuerliche Würze den sich nähernden Sanktheinrichstag und den eigenen Anteil am öffentlichen Schicksal.
Endlich wurden sie schläfrig, und Ellnhofen brach auf. Auf dem Heimweg erfüllte ihn nur der Gedanke an sein Zimmer im Schloà und an den Schlaf, der ihn dort erwartete.
Als Kittlitz im Treppenhause auf ihn zutrat, hatte Ellnhofen Mühe, sich den Vorgang begreiflich zu machen. Auch hinderte seine Müdigkeit ihn an einem eigentlichen Erschrecken.
Dies überkam ihn erst, als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte und er im Dunkeln allein war. Tastend gelangte er an eine Bettstelle und warf sich hin. Fünf, sechs Male im Lauf der nächsten Stunden sprang er auf. Endlich schlief er ein.
Der Raum, dies sah er beim Erwachen, war ein Mittelding zwischen Gefängniszelle und Zimmer. AuÃer der Bettstelle enthielt er Tisch und Stuhl. Das schmale Fenster war vergittert.
Es geschah ihm zum ersten Male in seinem Leben, daà er sich seiner Freiheit beraubt sah. Allein was ihn quälte, das war nicht dieser Zustand selbst, der einstweilen, für sich betrachtet, ja noch nichts anderes war als eine Unbequemlichkeit. Sondern ihn peinigte die drohungsvolle UngewiÃheit, ihn peinigten die Fragen nach der Ursache und den Hintergründen dieses Zustandes.
Die Fragen, die er gestern nacht, halb stammelnd, an Kittlitz gerichtet hatte, waren unbeantwortet geblieben. Ãberhaupt hatte der Hausvogt sich seines Auftrages mit einer betonten, fast werkzeughaften Anteillosigkeit entledigt. Und die Formel: »Im Namen des Kurfürsten!« machte ihm ja eine solche Anteillosigkeit zur Pflicht. Mit keiner Miene hatte er Bedauern, Genugtuung oder Schadenfreude zu erkennen gegeben.
Ellnhofen hätte so gern an ein MiÃverständnis geglaubt, denn MiÃverständnisse sind ja lösbar. Er wollte seine Gefangennahme auf seine eigenmächtigen Entfernungen von der Stadt zurückführen. Dann wieder dachte er an ein Spiel kunstvoll verflochtener höfischer Ränke. Er erinnerte sich an Erzählungen von derartigen Vorkommnissen an anderen Höfen, insbesondere an der römischen Kurie. Aber er wuÃte, daà dergleichen am genauen und sehr alltäglichen Berliner Hofe nicht vorzufallen pflegte.
Nein, er konnte sich nicht verhehlen, daà er diesen Erwägungen nur nachhing, um sich der einen, furchtbaren Erkenntnis zu entziehen; daà nämlich Julianes Abreise auf irgendeine Art zu den Ohren des Kurfürsten gelangt sein muÃte. Allein an diesem Punkt scheuten seine Gedanken und wagten nicht weiterzugehen.
Von Stunde zu Stunde wartete er darauf, zum Kurfürsten geholt zu werden oder doch wenigstens jemanden eintreten zu sehen, der ihn seines Vergehens bezichtigte und ihn verhörte.
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