Am Ende aller Zeiten. Roman by Adrian J Walker

Autor:Adrian J Walker [Walker, Adrian J]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104038421
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

Unterwegs

Nachdem wir uns von Jacob verabschiedet hatten, baute ich ab. Wir waren erst zwei Meilen weit gekommen, da rief ich den anderen zu, dass sie anhalten sollten. Sie standen im Kreis um mich herum, tranken Wasser und redeten aufmunternd auf mich ein, während ich mich keuchend auf die Knie stützte. Ich erwiderte nichts, weil ich wusste, was ich gesagt hätte: dass ich nicht mehr konnte, dass ich noch nie so fertig gewesen war, dass die Straße vor mir mich bezwingen würde, bevor meine Füße auch nur die geringste Spur darauf hinterlassen hätten, dass das Ganze eine Scheißidee war, dass ich hungrig war und fror, dass ich aufgeben wollte und mir meine Familie gestohlen bleiben konnte. Dass ich Laufen und jede Form von Sport nicht mochte, nein, zutiefst verabscheute. Dass ich mich nie, niemals daran gewöhnen würde.

Ich sagte nichts. Atmete durch. Lief weiter.

Von da an musste ich immer häufiger eine Pause einlegen. Kurz vor Penrith konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten und blieb alle hundert Meter stehen.

»Wir gehen schon mal vor«, sagte Richard. Nur Bryce wartete jedes Mal stumm, bis ich genug Willenskraft aufbrachte, um weiterzulaufen. Ich erinnere mich kaum, wie ich es bis zu dem Tickethäuschen schaffte, das Jacob uns beschrieben hatte. Ich muss gleich danach eingeschlafen sein. Als ich aufwachte, kniete Grimes neben mir und musterte mich mit dem nüchternen Blick einer Krankenschwester, die sich um einen Patienten kümmert.

»Können wir los?«, fragte sie leise. Ich hatte mich noch nicht gerührt, aber ich spürte, wie sich meine Muskeln verkrampften, als wüssten sie besser als ich, was passieren würde, wenn ich sie streckte oder anspannte. Vorsichtig bewegte ich ein Bein. Der Schmerz folgte prompt. Er flammte irgendwo in der Knöchelgegend auf und stieg blitzschnell durch meine Waden, Knie, Oberschenkel und Hüften nach oben. Ich stöhnte, während ich langsam wieder zu Bewusstsein kam.

Nein, du schaffst das nicht.

Dein Körper will nichts damit zu tun haben.

Dein Kopf will nichts damit zu tun haben.

»Nein, ich …«, begann ich und schloss die Augen. »Ich schaffe …«

»Na los«, sagte sie und zog mich am Arm hoch. »Steh auf.«

»Aber …«

»Spar dir den Atem. Hier.« Sie reichte mir einen Becher Schwarztee. »Fang ganz langsam an«, sagte sie. »So.« Sie trat behutsam auf der Stelle, indem sie das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte, ohne die Füße vom Boden zu heben.

Ich trank meinen Tee in kleinen Schlucken, mit geschlossenen Augen, und bewegte dabei die Beine, in die allmählich etwas Leben und Wärme zurückkehrten. Es kam mir vor, als hätte sich die Schwerkraft über Nacht verdoppelt. Mir graute bei der Vorstellung, mich und meinen Rucksack auch nur einen einzigen Schritt vorwärtsbewegen zu müssen.

Ich öffnete die Augen und sah Harvey über den Schutt in dem Tickethäuschen auf mich zustapfen. Er schaute mich verständnisvoll an.

»Fühlt sich schrecklich an nach dem ersten Tag, was?«, fragte er und nahm einen Schluck aus einer fast leeren Wasserflasche. Ich konnte kaum die Augen offen halten.

Nein, ich schaffe …

»Schlimmer als ein Kater«, sagte er. »Schlimmer als der schlimmste Kater.«

Nein, ich schaffe das nicht.

»Weißt du, was das Schlimmste an einem Kater ist?«, fragte er.

Download

Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.