Am dunklen Ende des Regenbogens by Arno Surminski

Am dunklen Ende des Regenbogens by Arno Surminski

Autor:Arno Surminski [Surminski, Arno]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2011-05-06T16:00:00+00:00


In Flagstaff wollte er sein an diesem Samstag, um am Sonntag zum Grand Canyon zu fahren, aber es kam ihm Jerome dazwischen. Gestern abend lag die Stadt noch verführerisch funkelnd am Berg, heute morgen war sie nicht mehr sichtbar. Eine gewöhnliche Asphaltstraße führte hinauf. Neben der Fahrbahn rötliches Gestein, wie aufgeschichtet, im Rückspiegel das Verdetal, noch weiter, sehr fern, die weißen Spitzen der San-Francisco-Berge. Zu denken, daß es in dem heißen Arizona auch Schnee gab, war ihm eine Wohltat. Auf halber Höhe konnte er ein Haus erkennen, auf der Seite liegend, über das Dach begehbar. Die Tür zeigte in den Himmel. Danach eine Kirche ohne Zugang, mit rohen Brettern verschlagen. ›Holy Family Catholic Church – Danger, Keep out‹. Es wird Zeit, daß der liebe Gott sich um sein Eigentum kümmert. Was war los mit Jerome? Hatte ein Erdbeben die Stadt durcheinandergeschüttelt, ein Tornado sie verwüstet? Die verwühlten Hänge erinnerten an die Schlachtfelder Verduns, die er mit einer kirchlichen Jugendgruppe vor mehr als zwanzig Jahren besucht hatte. Hier war der Bewuchs noch kümmerlicher als auf der blutgetränkten Erde. Eine Straße hing schief am Berg, Gesteinsbrocken hier, Mauerreste dort. Eisenstücke ragten wie Kanonenrohre in den Himmel, ein rostendes Auto dämmerte am Abhang. Bedenklich schiefe Häuser, die keine Blumenvasen auf ihren Tischen duldeten. Wände und Veranden aus braunem, altem Holz, an den Fenstern Vorhänge, aber Menschen waren nicht zu sehen. Eine Main Street gab es wie in allen amerikanischen Städten.

Er parkte neben einem schräg liegenden Gebäude ohne Dach, dessen Fensterhöhlen vergittert waren. ›Sliding jail‹ erklärte ein Schild; das Gefängnis von Jerome war ins Rutschen geraten. Zu Fuß wanderte er den Ort ab, in dem es angenehm kühl war, weil in der Höhe ein frischer Wind von Norden gegen die alten Häuser schlug. Gestern abend ein Lichtermeer, heute wie ausgestorben. In der Main Street fand er Läden, in deren Schaufenstern gewöhnliche Hüte, Jacken und Hosen hingen, außerdem Goldwaren, Indianerschmuck und ›antike‹ Gegenstände. Die Antike begann hier um 1950. In diesem jungen Amerika genießt alles, was älter als fünfzig Jahre ist, Verehrung. Marcy's Ice Cream Parlour noch geschlossen, erst um zehn Uhr wird Jerome geöffnet.

Er ging mitten auf der Straße, um vor einstürzenden Hauswänden und von Veranden fallenden Brettern sicher zu sein. Eine Katze streunte mit ihm die Main Street aufwärts zur Town Hall, zum Feuerwehrhaus, zur Polizeistation. Main Street 39. Ob er hier gelebt hat? Die schwarzen Balken der Eingangstür neigten sich zum Verdetal. Reklameschilder aus alten Tagen klebten an der Tür. ›Sodas – Cigars – Malts‹. Hinter den Fensterscheiben gestapelte Bretter und aus den Fugen geratene Kisten.

Ein Stück weiter ›Jerome Palace‹, geschlossen seit antiker Zeit. In diesem Lokal hat er an der Bar gesessen und von der deutschen Frau erzählt, die er heiraten wollte. Im Frühling wird er sie nach Arizona holen, wenn die Saguaros blühen und der Duft des Yellow Paloverde vom Tal heraufzieht. Schaut her, so sieht sie aus! Er wird Mutters Bild aus der Tasche gezogen haben. Mutter in den groben, schmutzigen Händen dieser rauhen Kerle! Sie machten ihre Witze. Hübsch sieht sie ja aus, aber Brust hat sie keine.



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