Alternativlos - Merkel, die Deutschen und das Ende der Politik by Dirk Kurbjuweit

Autor:Dirk Kurbjuweit [Kurbjuweit, Dirk]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2014-09-05T22:00:00+00:00

EINE NATION IN DER WELT –

DIE GESCHONTEN I

Was interessiert die anderen an uns? Wie kommt Deutschland im Ausland vor? Umfragen in anderen Ländern zeigen, dass wir nicht so unsympathisch sind, wie wir selbst lange glaubten. Wir werden gemocht. Eine Umfrage der BBC im Jahr 2013 ergab, dass die Deutschen weltweit die beliebteste Nation sind.

Aber was ist interessant an uns? Was wird über uns erzählt? Hinweise kann der Film liefern. In der Filmbranche, in Hollywood und anderswo, entstehen die großen Erzählungen. Was sind dort die deutschen Themen?

Als Quentin Tarantino einen Film über und mit Deutschen gemacht hat, »Inglorious Basterds«, spielte der im Zweiten Weltkrieg. Die Deutschen konnten ihre Stars in Naziuniformen sehen, Daniel Brühl, Martin Wuttke, Till Schweiger. Der Österreicher Christoph Waltz spielte einen Judenjäger.

George Clooney interessierte an Deutschland der Kunstschatz der Nazis. In seinem Film »Monuments Men« lässt er eine kleine Truppe in den letzten Kriegsmonaten auf Schatzjagd gehen.

Ein weiterer Film mit deutschem Stoff ist »Valkyrie«. Tom Cruise spielte Claus Schenk Graf Stauffenberg, der am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Hitler verübt hatte.

Für ihre Rolle in »Die Vorleserin« bekam Kate Winslet einen Oscar. Sie spielt eine ehemalige KZ-Aufseherin, die eine Liebesbeziehung zu einem jungen Mann unterhält. Der gleichnamige Roman von Bernhard Schlink war zuvor ein Riesenerfolg in den USA gewesen.

»Das Leben ist schön« gewann unter anderem den Oscar für den besten Film. Die Komödie des italienischen Regisseurs und Schauspielers Roberto Benigni spielt zum großen Teil in einem deutschen KZ.

»Schindlers Liste« ist ein Film von Steven Spielberg über den Holocaust. Ein deutscher Unternehmer rettet Juden vor der Gaskammer.

Diese Liste ist nicht vollständig. Es hat sicherlich auch den einen oder anderen Spielfilm gegeben, der deutsche Stoffe jenseits der Nazizeit ins Bild setzte, aber viele sind es nicht.

Bei Romanen ist es nicht anders, soweit ich das überblicken kann. Die ausländischen Romane mit deutschen Stoffen, die ich gelesen habe, befassten sich sämtlich mit Nazis: »Europe Central« von William T. Vollmann, »Der Tunnel« von William H. Gass, »Vaterland« von Robert Harris, »Die Akte Odessa« von Frederick Forsyth, »Die Wohlgesinnten« von Jonathan Littell, »Das Attentat« von Harry Mulisch.

Einerseits ist das ein Indiz dafür, dass wir in einem langweiligen Land leben, politisch langweilig, aber auch ohne eine Aura, die jemanden anregen könnte, einen großen Liebesfilm in Deutschland anzusiedeln, so wie Woody Allen Liebesfilme in Frankreich, Italien oder Spanien angesiedelt hat.

Politisch ist in der Bundesrepublik offenbar nicht viel passiert, was Filmstoff für andere hergeben könnte. Es fehlen die spannenden Figuren, die großen Abenteuer. So sehen wir das selbst auch. Die abenteuerlichste Geschichte, die wir von uns kennen, ist die der RAF. Dazu gibt es ungezählte Filme aus Deutschland, nicht nur, weil das so außergewöhnlich spannend und wichtig war, sondern auch weil es praktisch konkurrenzfrei ist.

Wir sind interessant, weil es die Nazizeit gab. So muss man das wohl zusammenfassen. In den Augen der anderen sind wir ein Land, dessen Vergangenheit sich über die Gegenwart stülpt. Das heißt nicht, dass man uns nicht mögen kann, das heißt, dass man über uns fast nur das erzählen kann. Wir stecken im Bann der Nazigeschichte, nach außen, aber auch nach innen.

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