Alles, was wir geben mussten by Kazuo Ishiguro

Alles, was wir geben mussten by Kazuo Ishiguro

Autor:Kazuo Ishiguro [Ishiguro, Kazuo]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783896672339
Google: ODQ3PAAACAAJ
Herausgeber: Blessing Karl Verlag
veröffentlicht: 2005-07-14T22:00:00+00:00


KAPITEL 13

Rodney, der einen Führerschein besaß, hatte uns von der Farm in Metchley, ein paar Meilen weiter an der Landstraße, einen Wagen organisiert. Schon früher hatte er sich regelmäßig auf diese Weise ein Auto beschafft, aber diesmal platzte die Abmachung einen Tag vor unserem geplanten Aufbruch. Obwohl sich alles ganz leicht in Ordnung bringen ließ - Rodney ging zur Farm hinüber und erhielt die Zusage für ein anderes Auto -, war das eigentlich Interessante Ruths Reaktion während der paar Stunden, als es so aussah, dass wir den Ausflug absagen müssten.

Bis dahin hatte sie so getan, als wäre das Ganze eigentlich ein Witz, auf den sie sich nur einlasse, um Chrissie eine Freude zu bereiten. Und sie redete viel davon, dass wir die Freiheiten, die wir hätten, seitdem wir aus Hailsham fort seien, noch kaum ausgekostet hätten; sie habe ohnehin schon immer nach Norfolk fahren wollen, um »alle unsere verlorenen Sachen zu finden«. Mit anderen Worten, es war ihr unheimlich wichtig, uns zu demonstrieren, dass sie die Aussicht, ihre »Mögliche« zu finden, nicht ernst nahm.

Am Tag vor unserer Fahrt unternahmen Ruth und ich einen Spaziergang, und als wir zurückkehrten und die Küche betraten, waren Fiona und ein paar Veteranen damit beschäftigt, Eintopf für eine ganze Kompanie zu kochen. Ohne von ihrer Tätigkeit aufzublicken, teilte uns Fiona mit, dass der Junge von der Farm hier gewesen sei, um auszurichten, dass es nichts mit dem Auto würde. Ruth stand direkt vor mir, und ich konnte zwar nicht ihr Gesicht sehen, wohl aber, dass ihr ganzer Körper erstarrte. Sie drehte sich wortlos um und stürmte an mir vorbei aus dem Raum. Dabei erhaschte ich einen Blick auf ihr Gesicht und merkte erst jetzt, wie maßlos enttäuscht sie war. Fiona setzte zu einer Entschuldigung an wie: »Oh, ich wusste nicht...« Aber ich fiel ihr rasch ins Wort: »Nein, nein, das ist es nicht, worüber Ruth sich aufregt. Es geht um was anderes, das vorhin passiert ist.« Keine besonders gute Erklärung, aber die beste, die mir im Augenblick einfiel.

Wie gesagt, die Fahrzeugkrise löste sich schließlich in Wohlgefallen auf, und früh am nächsten Morgen, als es noch stockfinster war, stiegen wir fünf in einen Rover, der zwar ziemlich zerbeult, aber sonst völlig in Ordnung war. Chrissie saß vorn neben Rodney, und wir anderen teilten uns die Rückbank. Diese Sitzordnung war uns so selbstverständlich erschienen, dass wir eingestiegen waren, ohne einen Augenblick darüber nachzudenken. Aber nach nur wenigen Minuten, als Rodney von der einspurigen, kurvenreichen Nebenstraße auf die eigentliche Landstraße abbog, beugte sich Ruth, die in der Mitte saß, nach vorn, legte beide Hände auf die Vordersitze und begann mit den zwei Veteranen ein Gespräch. Sie machte das so, dass Tommy und ich, rechts und links von ihr, kein Wort verstanden, und weil sie zwischen uns saß, konnten wir auch nicht miteinander reden, ja, wir sahen uns nicht einmal. Die wenigen Male, die sie sich zurücklehnte, versuchte ich ein Gespräch zwischen uns dreien in Gang zu bringen, aber Ruth ließ sich nicht darauf ein, und es dauerte nicht lang, bis sie sich wieder vorbeugte, das Gesicht zwischen den beiden Vordersitzen.



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