Alles im Griff by Suter Martin

Autor:Suter, Martin
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 978-3-257-60449-8
Herausgeber: Diogenes Verlag AG

[67] The Agency

Okay, vielleicht war der Zeitpunkt schlecht gewählt gewesen. Aber die Idee war gut. Hauser hatte immer gewusst, dass er nicht als Angestellter alt werden würde. Und als dann sein größter Kunde, Holidreams, nach einem etwas unvernünftigen Abend Chez Castro beim Chill-out im Chromo andeutete, dass er sich auch ein anderes Agentur-Kunden-Modell vorstellen könne als das auf der üblichen Prozentbasis und dass er mit K.L.J.G. schließlich nicht verheiratet sei, hatte Chris Hauser den Schritt in die Selbständigkeit gewagt.

Holidreams’ Werbebudget war groß genug für ihn, eine Sekretärin, einen Art Director, einen Texter und ein ausbaufähiges, repräsentatives, loftiges Büro in der richtigen Gegend. Und weil er gelernt hatte, nicht alle eggs in one basket zu legen, hatte er auch noch zwei weitere, total auf ihn fixierte K.L.J.G.-Kunden mitgenommen. Einen aus dem Gebäudereinigungs- und einen aus dem Heimtextilsektor.

Der eigentliche Coup gelang ihm allerdings im New-Business-Bereich: Er hatte sich den von namhaften Agenturen umkämpften Account »Analphabetismus-Sensibilisierungskampagne« geschnappt. Damit war zwar keine goldene Nase zu verdienen. Aber was gab es Besseres als eine Kampagne der Kategorie public awareness messages, [68] um der Welt zu zeigen, was heutzutage kreativ noch möglich ist.

Die Voraussetzungen für den neuen hot shop der Branche waren so perfekt wie sein Name: crea.sales.

Und dann: Nine Eleven, ein Tiefschlag für die Reisebranche im Allgemeinen und Holidreams (»Ihr Spezialist für USA und Middle East«) im Besonderen. Hausers Plädoyers für das Antizyklische in der Werbung stießen beim Kunden auf taube Ohren. Die TV-, Plakat- und Printkampagnen wurden auf Last-Minute-Radiospots reduziert, und Hauser musste seine ganze Kreativität auf Einsparungen bei der Katalogproduktion konzentrieren.

Der Gebäudereinigungskunde sah angesichts der Wirtschaftslage von der Imagekampagne »Sauber von innen« ab und verlegte sich auf reine Business-to-Business-Aktivitäten. Der Heimtextilkunde entdeckte das World Wide Web und ging – wegen deren angeblicher Interneterfahrung – zurück zu K.L.J.G.

Durch diese Entwicklung reduzierte sich die visibility von crea.sales praktisch auf null. Hauser blieb nichts anderes übrig, als vorübergehend Art Direction und Copy zu outsourcen und die ganze Hoffnung auf die Analphabetismus-Sensibilisierungskampagne zu setzen. Da war ihm und seinem Team nämlich ein wirklich großer Wurf gelungen: eine Plakatkampagne mit unleserlichen Schlagzeilen! Hey! Einfach Buchstaben, die keinen Sinn ergeben! Wie für die Analphabeten ja alle Schlagzeilen!

Die Zusammenarbeit war schließlich daran [69] gescheitert, dass das elfköpfige Gremium des Auftraggebers genau diese Kampagne wollte. Nur mit leserlichen Schlagzeilen.

Heute ist Hauser Werbeleiter bei der CRONSA.

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