Alle Toten fliegen hoch by Joachim Meyerhoff

Alle Toten fliegen hoch by Joachim Meyerhoff

Autor:Joachim Meyerhoff
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch
veröffentlicht: 2011-01-13T23:00:00+00:00


Wir passierten drei Sicherheitsschleusen. Jedes Mal wurde ich als »The guy from Germany« vorgestellt. Einer der Schließer fragte mich: »Oh Germany! You are really from Germany?« Ich nickte. »How did you get out?« Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Er klopfte mir auf die Schulter: »Welcome to America. Enjoy freedom and peace!« Coach Kaltenbachs Bruder musste zeigen, wie viele Kugeln er in seinem Colt hatte. Mit einem angeberischen Salto mortale ließ er ihn zurück in das Halfter springen. Leder und Eisen. Es braucht nicht viel, dachte ich, um an einem Beruf hängen zu können. Immer wurde hinter uns erst abgeschlossen, bevor vor uns aufgeschlossen wurde, und diejenigen, die ab- und aufschlossen, waren nie mit uns im selben Raum. Man wurde also immer erst eingesperrt und dann wieder ein bisschen freigelassen.Wir kamen in einen großen Aufenthaltsraum, in dem Männer saßen, rauchten, Karten spielten oder vorm Fernseher hockten. Coach Kaltenbachs Bruder zeigte mir das ganze Gefängnis. Die Werkstätten, in denen die Nummernschilder von Wyoming gestanzt wurden, ein Rodeoreiter auf gelbem Blech. Die Großküche. Der Schrank mit den durchnummerierten Küchenmessern. Der Zellentrakt mit drei Etagen. Die Gittertüren der Zellen waren alle geöffnet. Ich hätte mir die Gefangenen gerne genauer angesehen, aber ich hatte Sorge, zu sehr zu starren. Mich dagegen fixierten sie genau, das spürte ich. Ihre Gefängniskleidung mochte ich. Fester hellblauer Drillich. In jeder Zelle waren drei identisch gemachte Betten, unten, mittig, oben. Ein Tisch, ein Klo, ein Fernseher und mindestens ein Poster mit einer nackten Frau darauf. Doch die Brustwarzen und die Scham waren herausgeschnitten. Coach Kaltenbachs Bruder erklärte mir ungefragt, was es damit auf sich hatte. Wieder war ich mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstand. Er sprach so, als hätte er eine ganze Packung Kaugummis im Mund, als wären seine Zähne, seine Zunge selbst aus Kaugummi. »Die Gefangenen dürfen sich zwar diese Bilder aufhängen, aber man darf nichts Obszönes sehen. Der Zellenälteste heißt ›the keeper of nipples and pussies‹. Nach dem Einschluss kann man sie sich bei ihm für ’ne Kleinigkeit ausleihen und mit ’nem Kaugummi ins Poster pappen.« Er lachte, hielt zum ersten Mal seine endlich getrockneten Hände still. Coach Kaltenbach wollte gerade wieder in die Lachnummer mit einsteigen, als sein Bruder sagte »I’ll be back soon« und kurz in einen Waschraum verschwand. Wir gingen weiter. Auf einem sandigen Platz spielten Häftlinge mit sehr gedämpftem Einsatz Basketball. Einer von ihnen warf mir den Ball zu und ich traf tatsächlich aus großer Distanz. »Not bad«, rief er herüber, »wanna stay with us?«



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