Acht Jahre in der Gewalt der Lubjanka by Jurij A. Treguboff

Acht Jahre in der Gewalt der Lubjanka by Jurij A. Treguboff

Autor:Jurij A. Treguboff [Treguboff, Jurij A.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-04-05T17:00:00+00:00


Das Gebiet der Lager

Nachts sieht man, was sich auf beiden Seiten der Bahnstrecke tut. Erfahrene Leute haben festgestellt, daß wir schon an Kirow vorbei sind und uns auf der berühmten Magistrale nach Workuta befinden, die quer durch die Autonome Republik Komi läuft. In den Nächten sehe ich zwischen drückenden Trugbildern, wie wir an Lagern vorüberfahren, die längs der Hauptstrecke liegen.

Die Lager haben in der Regel die Form eines mehr oder weniger akkuraten Rechtecks. An den Ecken stehen die mit ihren Scheinwerfern leuchtenden Wachttürme, die wie die Dreibeiner vom Mars in einem utopischen Roman von Herbert G. Wells aussehen.

Schon so manche Nacht fahren wir immer wieder an Lagern vorüber. Erst später erfuhr ich, daß die gesamte Hauptstrecke nach Workuta von Lagern umgeben ist, die, wie Sterne in den Sternbildern, in einem ungeheuren Lagersystem miteinander verbunden sind.

Leute, die Bescheid wissen, behaupten, daß die Lagerbevölkerung der Republik Komi zahlenmäßig die freie Bevölkerung dieser Republik bei weitem übersteigt.

In der Sowjetunion gibt es viele Gegenden, in denen die Gefangenen hinter Stacheldraht zahlreicher sind als die sogenannten freien Bewohner, aber die Republik Komi hat darin wohl alle Rekorde geschlagen.

Heute haben sie uns aus eigenem Antrieb Wasser gebracht.

Aber nachts rächen sich die Götter an den zu Unbeherrschten. Von Mitternacht an ertönen klägliche, mit unwahrscheinlichen Flüchen untermischte Schreie:

„Chef, laß uns raus, zum Austreten!“

„Geht nicht, trinkt weniger!“

„Ich habe ja fast gar nichts getrunken!“

„Dann wart‘ bis zum Morgen.“

„Chef, laß mich raus, ich kann nicht mehr!“

Es treibt einer Krise zu. Statt des einen Wachhabenden erscheinen zwei. Immer wieder blitzen Laternen auf.

Schließlich kommt es zur Katastrophe. Im vierten Abteil, in dem die unruhigsten Gesellen sitzen, fängt einer an, verstohlen direkt durch das Gitter auf den Korridor Wasser zu lassen.

Ein Deutscher deklamiert mit Galgenhumor:

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp-klapp!“

„Aufhören mit diesem Unfug!“

Mit brennender Laterne kommt ein Diensthabender angelaufen, noch auf dem Gang zieht er seine Pistole. Von der zweiten Etage ergießt sich ein Strahl beinah auf seinen Kopf, ein zweiter Strahl folgt, auch von oben.

„Hör auf, du faschistisches Schwein! Ich werde schießen!“ schreit der Konvoisoldat und klopft mit dem Pistolenkolben aufs Gitter.

Aber es ist zu spät. Er steht im Kreuzfeuer wie Napoleon bei Waterloo.

Phlegmatisch ertönt als Antwort:

„Meine Mutter heißt nicht Swinja, sondern Chawronja!“

„Der Konvoi wird gebadet!“ kreischt einer.

Die Kameraden des Belagerten eilen zu seiner Unterstützung herbei. Er ist aber schon aus der Feuerlinie heraus, da dem Gegner die Munition ausgegangen ist.

Der Konvoiführer erscheint, er hat nur Unterhosen und Stiefel an, den Mantel hat er über die Schulter geworfen.

„Was soll das heißen? Was ist das für eine Schweinerei? Wer pißt hier auf den Korridor? Und dazu noch einer Militärperson auf den Kopf!“ Und blöde drohend fügt er hinzu: „Ich werde euch alle gleich der Karzerordnung unterstellen!“

Damit verschwindet der unheilverkündende Offizier, sich fest in seinen Mantel hüllend.

Die ganze Nacht über bis in den frühen Morgen hinein sind Flüche, Flehen, Bitten und Spektakel zu hören. Am Morgen sieht der Wagengang aus, als ob es stark geregnet hätte.

Der elfte Tag. Wir haben Aufenthalt.

Durch die Wände des Waggons dringt lautes Schimpfen zu uns herein. Eine Frauenstimme



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